Die vier Säulen und die Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus

Gastbeitrag von Stephan Eisenhut

Das Rahmenprogramm von dieBasis enthält als ihr Grundprinzip die Entflechtung des geistig-kulturellen, rechtlichen und wirtschaftlichen Bereichs.1 Damit knüpft sie – den wenigsten Basistas ist das bekannt – an die Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus an, die vor etwa 100 Jahren von Rudolf Steiner ausgearbeitet wurde. Zugleich formuliert sie vier Säulen, die ihre Arbeit tragen sollen. Der folgende Beitrag beleuchtet die vier Säulen unter dem Gesichtspunkt, wie sie zu denken sind, wenn sie mit der Idee der sozialen Dreigliederung zusammenpassen sollen.

Eine wirkliche Idee beschreibt – im Gegensatz zum abstrakten Verstandesbegriff – immer etwas Lebensmögliches. Sie kann nur durch geistige Aktivität wahrgenommen werden. Dieses Ideenverständnis ist vielen Menschen heute fremd geworden. Aber erst dadurch, dass wir wieder Ideen erfassen lernen, können wir eine lebenswerte soziale Welt gestalten. Seit mehr als 200 Jahren versuchen wir, dass soziale Leben aus abstrakten Vorstellungen vom politischen Staat aus zu gestalten. Die Corona-Krise ist der Gipfel dieses lebensfremden Denkens. Die Menschen, die dieBasis bilden, könnten dann wirklich neue Wege beschreiten, wenn sie beginnen ihre Ziele lebensgemäß zu denken.

Machtbegrenzung

Die Partei dieBasis ist eine Machtorganisation. Sie hat das Ziel, in den Bundestag einzuziehen, um dort ihre Stimme einbringen zu können. Der Bundestag ist ebenfalls eine Machtorganisation. Er ist die gesetzgebende Gewalt und er wählt die Regierung, die die Spitze der Exekutivgewalt im Staat bildet. Die Machtorganisation dieBasis hat das Ziel der Machtbegrenzung. Das ist ein berechtigtes Ziel. Will sie dieses im Sinne der Dreigliederung des sozialen Organismus anstreben, dann müsste sie darauf hinwirken, die Grenzen des Staates zu bestimmen. Denn der Staat ist die Machtorganisation an sich im sozialen Organismus. Diese muss auf die Fragen der Sicherheit und Gleichheit begrenzt werden, wenn es den anderen beiden Gebieten möglich sein soll, sachgemäß ihre Funktionen wahrzunehmen.

Die Machtorganisation dieBasis kann, wenn sie ihren Grundsätzen gerecht werden will, innerhalb eines Parlamentes nur „Obstruktionspolitik“ betreiben. Dabei geht es darum, die Kanäle über die Fragen, die nicht dem Rechtsleben zugänglich sind, zu verstopfen. Es ist das die logische Konsequenz für das politische Wirken einer Partei, wenn sie im Sinne der Dreigliederung wirken will. Denn dadurch schafft sie ein Bewusstsein dafür, was innerhalb des Rechtslebens geregelt werden kann und was nicht.

In dem Moment, wo sie Ziele innerhalb des Rechtslebens verfolgt, die nur innerhalb der anderen beiden Glieder gelöst werden können, verlässt sie den Boden der Dreigliederung. Sie ermächtigt dadurch Politiker, Antworten auf Fragen zu geben, die diese nicht beantworten können. Dadurch wird das Tor für den Lobbyismus weit geöffnet. Denn der Politiker, der jetzt Antworten auf Fragen geben soll, die er selbst nicht beantworten kann, ist auf Experten angewiesen. Diese werden sich anbieten. Durchsetzungsstarke Wirtschaftskonzerne werden dafür sorgen, dass sie da sind und ihre Partialinteressen so geschickt ausformulieren, dass sie als das Interesse der Gemeinschaft erscheinen.

Die Partei dieBasis sollte mit der Frage der Machtbegrenzung in der Weise ernst machen, dass sie selbst ihre Macht als politische Organisation auf die Fragen begrenzt, die innerhalb des Rechtslebens beantwortbar sind.

Freiheit

Die Partei dieBasis hat das Ziel der Freiheit im Sinne von Eigen- und Fremdverantwortung. Gleichzeitig verlangt sie von ihren Mandatsträgern, dass diese Sprachrohre des Schwarms sein sollen. Wer aber eine Aufgabe im Sinne einer Gemeinschaft übernehmen will, muss diese frei und auf der Grundlage der eigenen Erkenntnisse ausüben können. Andernfalls werden seine Kräfte gelähmt. Soll der Mandatsträger lediglich Vollstrecker eines Kollektivurteils sein, wird er immer weniger auf sein eigenes Urteil vertrauen. Die Forderung, dass der Mandatsträger einen durch irgendwelche Techniken ermittelten angeblichen Gemeinschaftswillen umsetzen soll, negiert die Säule der Freiheit.

Ein Beispiel: Eine Partei braucht einen Vorstand. Dieser Vorstand muss handlungsfähig sein. D.h. er kann nicht ständig bei der Basis nachfragen, ob das, was er machen will, im Sinne der Gesamtheit ist. Es ist auch eine Illusion, dass durch ständiges Konsensierung die Meinung des Schwarms zur Geltung käme. Das geht allein schon aus der Tatsache hervor, dass nur die an der Konsensierung teilnehmen, die dafür genügend Zeit haben. Diejenigen, die in ihrem Berufsleben stark eingespannt sind, sind de facto ausgeschlossen. Es entsteht somit kein repräsentatives Bild.

Eine nicht ganz unberechtigte Empfindung vieler Basistas ist: Würde ein Vorstand oder ein anderer Mandatsträger vollkommen frei agieren, so widerspräche das der Basisdemokratie und es drohe gewissermaßen Diktatur. Übersehen wird dabei, dass diejenigen, die die Mandatsträger auf Schritt und Tritt kontrollieren wollen, sehr schnell selbst diktatorisch agieren und Macht ausüben. Genauso wenig wie Basisdemokratie bedeuten kann, dass Macht beliebig von „unten nach oben“ ausgeübt wird, bedeutet Freiheit, dass Macht beliebig von „oben nach unten“ ausgeübt werden darf.

Das Ziel der Freiheit kann nur dann realisiert werden, wenn es in richtiger Weise mit dem Ziel der Machtbegrenzung in ein Verhältnis gesetzt wird. Basisdemokratie kann nur gelingen, wenn die Macht sachgemäß begrenzt wird. Die Idee der Dreigliederung benennt das Gebiet der Freiheit als „Geistesleben“. Dieses hat mit all dem zu tun, was aus der individuellen Fähigkeit hervorgehen muss.

Ein Unternehmensleiter steht nicht deshalb im Wirtschaftsleben, weil er in einem Unternehmen tätig ist, das Wirtschaftsgüter produziert. Er ist vielmehr ein Wirtschaftskulturschaffender und gehört damit dem Geistesleben an. Er wird die Produktivität des Unternehmens dadurch steigern, dass er eine Vertrauenskultur schafft, in dem sich die individuellen Fähigkeiten jedes Mitarbeiters bestmöglich entfalten können. Dafür braucht es einen Blick für diese Fähigkeiten. Im Ideal ist der Unternehmer der Dirigent, der den gemeinsamen Leistungsprozess orchestriert und den Gesamtüberblick behält. Diese Aufgabe kann er nur in größtmöglicher Freiheit vollziehen.

Wer das kann, wird auch diejenigen, die er mit Aufgaben betraut, in der Ausführung vollkommen freilassen. Eine Partei ist eine Unternehmung, die im Rechtsleben Ziele verfolgt. Auch sie braucht eine Führung, die mehr leisten muss, als die bloße operative Geschäftsführung. Sie braucht – analog zum Wirtschaftskulturschaffenden Unternehmensleiter gedacht – Menschen, die die Fähigkeit ausbilden, eine neue Rechtskultur zu schaffen. Das kann nur gelingen, wenn sie sich selbst auf die Fragen beschränken, die im eigentlichen Sinne Rechtsfragen sein können und die Lösung aller anderen Fragen an die Gebiete verweisen, in denen sie sachgemäß gelöst werden können. Dazu bedarf es einer Unterscheidungsfähigkeit, die erst erlernt werden muss.

Die Freiheit, die der Einzelne benötigt, um sein Mandat innerhalb der Machtorganisation dieBasis, wahrzunehmen, wird dann nicht in Diktatur umschlagen, wenn das Mandat von der Gemeinschaft klar und deutlich begrenzt ist und der Mandatsträger selbst bereit ist, sein von Natur aus veranlagtes Streben nach Machterweiterung durch Selbsterziehung zu begrenzen. Sollte dieses nicht gelingen und Führungsansprüche außerhalb des gegebenen Mandats geltend gemacht werden, kann die Gemeinschaft der Basistas dieses souverän zurückweisen.

Der Zielkonflikt zwischen Freiheit und Basisdemokratie kann nur durch sachgemäße Gliederung gelöst werden. Die Partei ist eine politische Machtorganisation, die von einem Vorstand geführt werden muss. Will diese Machtorganisation im Sinne der Dreigliederung wirken, so muss sie ihre Ziele im Rechtsleben auf Fragen beschränken, bei denen alle mündigen Menschen gleich urteilsfähig
sind.

Schwarmintelligenz

Der österreichische Volksdichter Peter Roseger formulierte einmal überspitzt: „Oaner ist a Mensch / Zwoa san Leit‘ / San’s mehra, san’s Viecher.“ Hier liegt ein zentrales Problem der „Schwarmintelligenz“. Ein Kollektiv kann durchaus intelligent sein, aber die kollektive Intelligenz ist keine menschliche Intelligenz. Eine falsch verstandene Schwarmintelligenz könnte zur größten Gefahr für dieBasis werden. Wer glaubt die Intelligenz des Schwarms als solchem sei bedeutender, als die Intelligenz, die durch das selbsterarbeitete Urteil Einzelner zur Erscheinung kommt, schlägt damit, ob er will oder nicht, den Weg in den Totalitarismus ein. Dieser kann seiner eigenen Natur nach nur Unmenschliches erzeugen.

Anders ist es, wenn wir den „Schwarm“ als eine Menschengemeinschaft betrachten, in der ein gesellschaftlicher und politischer Veränderungswille zunächst noch sehr unbestimmt vorhanden ist. Dieser Veränderungswille tritt zunächst als Gefühl in den einzelnen Menschen auf und dieses Gefühl bringt uns mit anderen Menschen in eine Verbindung, so dass sich eine relativ unbefestigte Menschengemeinschaft bildet. Will diese lose Menschengemeinschaft eine Struktur bilden, so dass sie im sozialen Leben Wirkungen entfalten kann, braucht sie neue soziale Gestaltungsideen. Dazu müssen aber immer Einzelne aus dem Schwarm hervortreten, die diese artikulieren können. Sie werden auf Verständnis treffen, wenn das, was sie artikulieren, mit dem zusammenklingt, was im „Schwarm“ als Veränderungswille und Gefühl schon lebt.

Eine große Gefahr geht hier allerdings von rein technischen Ideen aus. Sie können die Illusion der Gemeinsamkeit erzeugen. In Wirklichkeit realisiert sich der Geist der Technik, der auf Verallgemeinerung beruht und allen seine Form aufzwingt. Echte soziale Ideen sind keine technischen Ideen, sondern solche die nur durch die Verbindung mit individuellen Menschen Wirklichkeit erlangen. Das soziale Leben ist jedoch ausgesprochen komplex. Um es zu bewältigen, müssen Menschen mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten zusammenwirken. Diese Fähigkeiten liegen aber in den allermeisten Fällen nicht auf politischem Felde. Würde der Schwarm, der dieBasis bildet, sich nur auf die Ausbildung von politischen Strukturen im Sinne einer Parteiorganisation fixieren, müsste sein gesellschaftlicher Veränderungswille erlahmen.

Der Schwarm ist viel mehr als die bloße Parteiorganisation. Er ist eine Bewegung für gesellschaftliche und politische Erneuerung. Er reicht nicht aus, wenn aus ihm Menschen hervortreten, die bloß eine neue Rechtskultur schaffen wollen. Es braucht auch Menschen, die die Fähigkeit haben, eine neue Bildungskultur und eine neue Wirtschaftskultur zu schaffen. Die Rechtskulturschaffenden mögen die Parteiorganisation als ihr Instrument ausgestalten. Sie werden aber maßgeblich davon abhängig sein, dass eine starke Bewegung für eine neue Bildungskultur entsteht, die sich nicht mehr vom Staat bevormunden lassen will und diesem seine Grenzen aufzeigt.

Innerhalb dieser Bildungskultur können sich Räte für gesellschaftliche Fachfragen herausbilden. Für gesellschaftliche Gesundheitsfragen können sich Gesundheitsräte bilden, die mit Menschen unterschiedlicher Geistesströmungen besetzt sind, die über entsprechende Qualifikation verfügen. Für gesellschaftliche Justizfragen werden sich in gleicher Weise vom Staat unabhängige Justizräte bilden. Ebenso werden Erziehungsräte die gesellschaftlichen Fragen der Erziehung beraten.

Die Rechtskulturschaffenden, die ins Parlament und vielleicht auch einmal in die Regierung einziehen wollen, werden die Aufgabe haben, hinzuhören, was bei den Bildungskulturschaffenden lebt und wie dort gesellschaftliche Fragen beantwortet werden können, die gar nicht ins Rechtsleben gehören. Erst dadurch werden sie die eigentlichen Rechtsfragen von den Kulturfragen trennen lernen. In gleicher Weise werden sie auf das Hinhören, was innerhalb des Kreises der Wirtschaftskulturschaffenden beraten wird und auch nur dort gelöst werden kann. Diese werden sich Instrumente schaffen, durch die sie die Marktprozesse transparent machen können. Erst dann werden gezielte Kommunikationsprozesse mit den Verbrauchern möglich werden, durch die der wirkliche Bedarf sachgemäß ermittelt werden kann.

Die Rechtskulturschaffenden werden dann in Parlament und Regierung darauf hinwirken können, dass der Staat sich aus den Fragen der Wirtschaftssteuerung herauszieht und damit die eigentlichen Rechtsfragen wieder sichtbar werden. Nur die Rechtsfragen, die in der Summe dann überschaubar sind, können dem sachgemäßen basisdemokratischem Urteil zugeführt werden. In dem Maße, wie aus dem Schwarm Einzelne hervortreten und sich aus ihrem individuellen Urteil sachgemäß für gesellschaftliche Veränderungen einsetzen, wird sich zeigen, dass sich der soziale Organismus immer deutlicher in drei Gebiete gliedern wird. Dieser Gliederung erfolgt nicht von außen durch eine abstrakte Theorie, sondern sie entsteht dadurch, dass die einzelnen Menschen gemäß ihren Fähigkeiten in ein sachgemäßes Verhältnis zueinander treten.

Achtsamkeit

Die zentrale Voraussetzung dafür, dass Einzelne aus dem Schwarm hervortreten und für die Gemeinschaft tätig werden können, ist die Achtsamkeit. Sie kann keine politische Forderung sein. Jeder Einzelne ist aufgefordert, sich selbst zur Achtsamkeit zu erziehen. Achtsamkeit ist die Fähigkeit, das individuelle Fähigkeitswesen im anderen Menschen zu erkennen. Eine wirkliche Begegnung zwischen Menschen findet nur da statt, wo diese wechselseitige Achtsamkeit entwickelt wird. Achtsamkeit wird oft mit Behutsamkeit verwechselt. Es gibt Menschen, die können sehr behutsam und schonend mit Anderen umgehen und dabei dennoch nicht auf deren individuelles Wesen achten. Sie sehen nur das Allgemein-Menschliche im anderen, nicht aber sein Besonders. Behutsamkeit ist die Grundlage dafür, dass Achtsamkeit innerhalb Gemeinschaftsprozessen entwickelt werden kann. Der Achtsame schafft darüber hinaus den Freiheitsraum, den sein Gegenüber braucht, um sein individuelles Vermögen fruchtbar in den Dienst der Gemeinschaft stellen zu können.