Gastbeitrag von Dr. Jürgen Wächter (BV OWL)
Dieser Artikel erschien zuerst bei RT.de als Lesermeinung
Werden sich in Berlin die russophoben Kriegsfalken und transatlantischen Rüstungslobbyisten durchsetzen oder wird es gelingen, die deutsche Außenpolitik vom Konfrontationskurs gegen Moskau abzubringen? Deutschland muss – nicht nur, aber nun vor allem in Bezug auf Russland – zu einer eigenständigen und auf Deeskalation, Kooperation und Frieden orientierten Politik finden.
Seit zwei Jahren herrscht Krieg zwischen Russland und der sogenannten Ukraine, einem Gebiet, das seit Jahrhunderten zu Russland gehörte und das in Teilen von Russen bewohnt wird. Die Einflussnahme der USA in der Ukraine mit ihrer Bedrohung der nationalen Sicherheit Russlands und die teils tödlichen Aktivitäten gegenüber den dort lebenden Russen sowie gescheiterte Verhandlungen oder gebrochene Verpflichtungen führten in Russland zur Entscheidung einer militärischen Sonderoperation. Wie würden die USA reagieren, wenn Russland eine ihm genehme Regierung durch einen Putsch in Mexiko installieren ließe und dann die dort lebenden US-Amerikaner unterdrücken und beschießen würde? Wie die USA bei kleinsten Bedrohungen ihre nationale Sicherheit reagieren, sehen wir aus den unzähligen Angriffskriegen, die sie nach dem Zweiten Weltkrieg geführt haben.
So schrecklich all diese Kriege sind – Deutschland hat damit nichts zu tun, es sollte sich raushalten. Deutschland war lange Jahre in der Welt ein fairer Vermittler, Streitschlichter, Friedensvermittler. Und damit ist es moralisch und ökonomisch sehr gut gefahren. Doch mit der rot-grünen Regierung und ihrer „feministischen Außenpolitik“ ist die hohe Anerkennung Deutschlands in der Welt auf einen lange nicht gekannten Tiefstand gesunken. Statt sich weiter für Frieden und Vermittlung einzusetzen, entwickelt es sich zum Kriegstreiber. Auf Befehl seines Herrn in Washington, gegen den man nicht einmal protestiert, wenn er erklärt, einem die Gaspipeline vor den Füßen wegsprengen zu wollen, und es dann wohl auch tat, beteiligt man sich nun emsig mit Waffenlieferungen in ein Gebiet, das Deutschland überhaupt nichts angeht. Erst waren es Helme, kleinere Waffen und Munition, dann Fahrzeuge, schließlich Panzer wie der Leopard 2. Und dann sollte es noch mehr werden.
Aus Frankreich kam der Impuls des Einsatzes von westlichen Truppen. Staatschef Macron versicherte, dass Frankreich alles tun werde, damit Russland den Krieg nicht gewinnen kann. Er sagte, in der Unterstützung der Ukraine gebe es „keine Grenzen oder rote Linien“. Das Pentagon äußerte, dass im Falle des Zusammenbruchs der Ukraine die NATO in einen militärischen Konflikt mit Russland geraten werde. Und ganz besonders sprangen die Polen auf diesen angefahrenen Zug. Deren Außenminister Sikorski forderte: „Der Westen sollte eine kreativ durchdachte und asymmetrische Eskalation durchführen.“ Er halte NATO-Truppen in der Ukraine nicht für undenkbar. Im Übrigen hätten einige NATO-Länder sogar bereits Militär in die Ukraine entsandt, das dort im Einsatz sei. Als dann beim Taurus-Leak auch noch deutsche Luftwaffenoffiziere darüber debattierten, wie man Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine bringen könne und wie ein Anschlag auf die Brücke zur Krim bei Kertsch vonstatten gehen müsse, da zeigte sich, dass eine rote Linie erreicht war. Was würde geschehen, wenn eine solche Waffe in Moskau einschlüge?
Glaubt irgendjemand allen Ernstes, dass Deutschland dann immer noch behaupten könnte, es sei keine Kriegspartei? Doch, diese Leute gibt es. Teile der FDP, der Grünen und der CDU/CSU befürworteten die Lieferung solcher Waffen an die Ukraine. Der bayerische Ministerpräsident Söder sagte, Taurus „muss zum Einsatz kommen“. Und dabei kalkuliert man einen Krieg mit Russland offenbar ein. Denn schon faselte der Bundesminister der Verteidigung Pistorius von Ideen zur Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland und der „Impfminister“ Lauterbach meinte, man müsse sich nun auf die Versorgung von Verletzten im Kriegsfalle vorbereiten. Nachdem Russland die Möglichkeit der Kündigung des Zwei-plus-Vier-Vertrages im Falle eines deutschen Kriegseinsatzes in den Raum geworfen hatte, ruderte dann der Noch-Bundeskanzler Scholz zurück und entschied, dass weder deutsche Soldaten noch Taurus in die Ukraine entsandt würden. Mal sehen, ob das Wort lange hält oder man es zu umgehen versucht. David Cameron, der britische Außenminister, schlug bereits vor, dass Deutschland seine Taurus-Marschflugkörper an Großbritannien geben solle und dieses dafür dann seine Marschflugkörper Storm Shadow an Kiew liefern könne. Was hier abläuft, hat nichts mit den nationalen Interessen Deutschlands zu tun und auch nichts mit dem Interesse der Bevölkerung am Frieden. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić erklärte, dass in der westlichen Welt derzeit Wahnsinn herrsche – mit dem Glauben, Russland leicht besiegen zu können. Und ein Wahnsinn ist es tatsächlich. Denn das haben weder Napoleon noch Hitler geschafft und Macron, Scholz und Pistorius werden es auch nicht schaffen.
Ein solcher Wahnsinn tritt regelmäßig auf, wenn ein System seinem Untergang zustrebt. Das geschah immer wieder in der Geschichte, sei es bei den Hexenverfolgungen, beim Untergang der Monarchie in Frankreich 1789, der Steinzeitregierung unter Pol Pot in Kambodscha oder den Gemetzeln zwischen Hutu und Tutsi in Ruanda. Diesmal ist es das kapitalistische von den USA geführte unipolare Weltsystem, das an sein Ende kommt. Die Plutokraten merken selber, dass ihr System, von dem sie leben, den Bach hinunter geht. In Deutschland etwa bricht seit Jahren so einiges zusammen: Schulwesen, medizinische Versorgung, Autobahnbrücken, Bahnverkehr, das politische System und vieles mehr.
Die Regierenden organisieren dann bewusst oder unbewusst zwei Schurkenstücke: Erst wird den Menschen mit einer großen Lüge Angst gemacht. Dadurch scharen sie sich weiter hinter die Regierenden und wagen keinen Widerstand. Dies hatten wir bereits mit der Corona-Inszenierung. Das Zweite ist das Erschaffen von Sündenböcken, die für den zunehmenden Verfall des Systems verantwortlich gemacht werden. In der Coronazeit waren das bereits „Querdenker“, „Maskenverweigerer“ und „Ungeimpfte“, die man diskriminierte. Doch in dieser jetzigen zweiten Stufe wird es heftiger. Man erschafft sich direkte Feinde, die es zu bekämpfen gelte und auch in der Geschichte meist schon völlig zu vernichten galt. Früher waren es Hexen, Juden, Königstreue, Kapitalisten oder Kommunisten. Heute ist es Putin und „der Russe“. Meist wurde das Ganze in einen totalen Fanatismus gesteigert, der dann zu Gewalt, Mord oder Krieg führte. Und nun sind wir wieder genau auf dieser Entwicklungsstufe. Der Westen wird derzeit immer kriegsgeiler. Es hat nichts mit der Ukraine zu tun, die ist lediglich ein Anlass. Die Ursache ist psychologischer Natur. Ein meist unbewusstes Gespür, dass das System, das einem Macht und Geld gibt, nun zusammenbricht, und das fehlende Eingeständnis, dass man selber es verbockt hat. Da ist doch besser Putin schuld. Rational ist das alles nicht. Denn dann gäbe es keine Angst vor einem russischen Angriff auf Deutschland.
In der ganzen Geschichte erfolgte kein Angriff von dort. Wenn es Krieg gab, dann ging der immer vom Westen aus.
- Im Siebenjährigen Krieg kämpften ab 1756 England, Frankreich, Schweden und verschiedene deutsche Fürstentümer miteinander. Als Zar Peter III. 1762 den Thron bestieg, schloss er sofort Frieden mit Preußen und übergab ohne Gegenleistung Ostpreußen und andere Gebiete. Kurze Zeit später kam es dadurch zum Waffenstillstand zwischen Preußen und Österreich.
- Am 24. Juni 1812 überquerte Napoleon mit seinen Truppen, die überwiegend aus Deutschen bestanden, die Memel. Die Russen halfen dann nach dem Sieg über Napoleons Armee, Deutschland aus dessen Händen zu befreien.
- Am 1. August 1914 erklärte Deutschland Russland den Krieg und brachte Lenin ins Land, damit dieser dort eine Revolution auslöse.
- Am 22. Juni 1941 überfiel Deutschland Russland trotz eines Nichtangriffspaktes.
Die Geschichte zeigt, dass seit Jahrhunderten immer der Westen der Aggressor war. Die Geschichte zeigt auch, dass es sowohl für Deutschland als auch für Russland wirtschaftlich, sicherheitspolitisch und kulturell immer gut war zusammenzuarbeiten. Das gilt für das ganze 19. Jahrhundert – besonders für die Bismarckzeit –, das gilt für die Weimarer Republik (mit dem Vertrag von Rapallo), das gilt für das Erdgas-Röhren-Geschäft 1970, das gilt für die Zeit der Wende 1989/90 mit dem vollständigen Verzicht der weiteren Besetzung Deutschlands und das gilt für die umfassende wirtschaftliche Kooperation der frühen Putin-Zeit mit den erfolgreichen Gasgeschäften, die Deutschlands Industrie zum Blühen brachten.
Der russische Staatspräsident Wladimir Putin sagte selbst unlängst beim Weltjugendfestival in Sotschi, dass Russland und Deutschland immer dann große Erfolge erzielt hätten, wenn sie zusammengearbeitet hätten. Dies seien goldene Zeiten in der gemeinsamen Geschichte beider Länder gewesen. Und er hoffe auch, dass dies wieder möglich werde. Er gebe daher die Hoffnung nicht auf, dass Deutschland die zur Freundschaft ausgestreckte russische Hand wieder ergreifen werde. Die „objektiven nationalen Interessen“ Deutschlands würden dazu führen, dass neue Politiker auftauchen würden, denen die aktuelle Russophobie fremd sei. Denn er habe keinen Konflikt mit der europäischen Bevölkerung, erlebe aber „schwere Zeiten“ mit den europäischen Eliten.
Und da ist er nicht allein. Auch die europäische Bevölkerung hat schwere Zeiten mit ihren Eliten – Politikern, die sich nicht mehr als Vertreter der Bürger sehen, sondern meinen, diese seien Untertanen, die man mit Regeln, Verboten und immer höheren Steuern fortwährend drangsalieren dürfe. Und jetzt wollen diese psychisch kranken Figuren Deutschland auch noch in einen Krieg treiben. Für die nationalen Interessen Deutschlands ist nichts wichtiger als ein Frieden und eine umfassende ökonomische und sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Russland. Darum muss die deutsche Politik unverzüglich mit Provokationen jedweder Art aufhören und die ausgestreckte Hand ergreifen. Nicht Kriegstreiberei als Lakai der USA ist jetzt geboten, sondern die Unterstützung des Friedens ist erste Bürgerpflicht. Und die gilt ganz besonders für die Damen und Herren Politiker in Berlin. Als wir noch vernünftige Politiker an der Regierung hatten, sagte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt: „Lieber hundert Stunden umsonst verhandeln, als eine Minute schießen.“ Darauf sollte sich Deutschland besinnen.