20 Jahre 9/11

Und noch immer sind viele Fragen nicht beantwortet

Am 11. September 2001 erschütterten die einstürzenden Twintowers die ganze Welt. Dieser Tag hat sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. Auch 20 Jahre nach den Anschlägen warten viele Fragen noch auf eine überzeugende Antwort. Dazu gehört bis heute die Frage nach der Einsturzursache des berühmten Gebäudes „WTC7“. Der Schweizer Historiker und Friedensforscher Dr. Daniele Ganser hat sich eingehend mit dem Thema 9/11 befasst. Im Folgenden Auszüge aus seinem Buch „Imperium USA“.

New York ist mit mehr als acht Millionen Menschen die größte Stadt der USA, vor Los Angeles und Chicago. Die Terroranschläge vom 11. September 2001, kurz 9/11, erschütterten nicht nur diese berühmte Stadt, sondern die ganze Welt. Sie gehören zusammen mit der Ermordung von Präsident Kennedy und dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor zu den Schlüsselereignissen in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Alle drei Ereignisse haben die US-Bevölkerung zutiefst verängstig und schockiert, und immer hat der US- Präsident sein Land danach in den Krieg geführt.

Ein neues Pearl Harbor

Mit rund 3000 Toten ist 9/ 11 der bisher größte Terroranschlag in der Geschichte. Was damals passierte, ist bis heute nicht geklärt. Drei Geschichten sind im Umlauf. Jeder muss sich selbst eine Meinung bilden, welche der drei Geschichten die wahre ist. Die erste Geschichte, die offizielle Erzählung von Präsident Bush, besagt, dass der Anschlag von arabischen Muslimen vom Terrornetzwerk al-Qaida durchgeführt und die US-Regierung völlig überrascht wurde (Surprise-Geschichte).

Die zweite Geschichte besagt, dass der Anschlag von radikalen Muslimen durchgeführt wurde, die Administration von Präsident Bush aber, wie bei Pearl Harbor 1941, vom bevorstehenden Anschlag wusste und diesen auch bewusst zugelassen hat, um das eigene Volk zu schockieren (LIHOP-Geschichte: Let it happen on purpose).

Die dritte Geschichte besagt, dass 9/11 ein Anschlag unter falscher Flagge war, der von Kriminellen innerhalb der US-Geheimdienste organisiert wurde, die die Türme sprengten und das Verbrechen den Muslimen in die Schuhe schoben, um Krieg im Nahen Osten zu führen (MIHOP-Geschichte: Make it happen on purpose). Im September 2000, ein Jahr vor dem Terroranschlag, hat die neokonservative Denkfabrik Project for the New American Century (PNAC) in ihrem Strategiepapier Rebuilding Americas Defenses gefordert, dass, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, die USA ihre imperiale Macht ausbauen sollten.

»Wir glauben, dass die USA versuchen müssen, ihre globale Führungsrolle zu bewahren und auszubauen, indem die Vormachtstellung des US- Militärs erhalten bleibt«, forderten die Autoren. Es sei notwendig, die US- Militärausgaben massiv zu erhöhen und modernste Waffen zu kaufen, denn das US-Militär müsse in der Lage sein, gleichzeitig in verschiedenen Ländern Kriege zu führen. »Dieser Prozess der Transformation … wird aber vermutlich lange dauern, wenn nicht ein katastrophales und beschleunigendes Ereignis eintritt – wie etwa ein neues Pearl Harbor«, so die Autoren.

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Die Leser der Studie ahnten nicht, dass genau ein Jahr nach der Publikation dieser Schrift tatsächlich so etwas wie ein neues Pearl Harbor stattfand, also ein Angriff auf das US- Festland mit vielen Toten. Ein entführtes Passagierflugzeug, American Airlines 11, raste am Dienstag, den 11. September 2001 um 8:46 Uhr in New York in den Nordturm des World Trade Centers (WTC), eine Viertelstunde später flog United Airlines 175 in den Südturm des WTC. Noch während die beiden Türme brannten, traf die Meldung ein, dass um 9:37 Uhr ein weiteres Passagierflugzeug, American Airlines 77, das Pentagon getroffen habe.

Kurz vor 10 Uhr stürzte mit WTC2 der Südturm ein, riesige Staubwolken drückten sich durch die Straßenschluchten von New York, Feuerwehrleute und Anwohner rannten um ihr Leben. Kurz nach 10 Uhr stürzte mit United Airlines 93 bei Shanksville ein viertes Passagierflugzeug ab. Um 10:28 Uhr stürzte auch der Nordturm WTC1 ein.

Die meisten Menschen verfolgten den Terroranschlag live am Fernsehgerät und waren geschockt.
Der Einsturz der Zwillingstürme wurde immer wieder gezeigt. Spät am Nachmittag stürzte um 17:20 Uhr noch das Gebäude WTC7 ein, obwohl es nicht durch ein Flugzeug getroffen worden war. Am Abend dieses Tages, so berichtet US Journalist Bob Woodward, notierte US- Präsident George Bush in sein Tagebuch: »Heute fand das Pearl Harbor des 21. Jahrhunderts statt.«

Die gescheiterte Untersuchung von Kean und Hamilton 2004

Nach dem Anschlag hätten aktive Mitglieder des USKongresses eine kritische Untersuchung durchführen müssen, ähnlich wie jene zu den Mordanschlägen der CIA, die in den 1970er Jahren durch Senator Frank Church geleitet wurde. Aber das geschah nicht. Stattdessen wählten US- Präsident George Bush junior und Vizepräsident Dick Cheney zehn Personen aus, die gar nicht mehr im Kongress saßen, und betrauten diese handverlesene Gruppe mit der Untersuchung. Zuerst wollten sie den früheren Außenminister Henry Kissinger beauftragen, doch als die Familien der Opfer protestierten, musste das Weiße Haus diesen Plan fallenlassen.

Daraufhin berief Präsident Bush im Dezember 2002 den früheren Gouverneur von New Jersey Thomas Kean zum Leiter der Untersuchungskommission. Als stellvertretender Leiter wurde Lee Hamilton ernannt, der bis 1999 für den Bundesstaat Indiana im Repräsentantenhaus gesessen hatte. Kean und Hamilton schrieben zusammen mit dem Historiker Philip Zelikow die offizielle Geschichte zum Terroranschlag und legten am Juli 2004 ihren 567 Seiten dicken Abschlussbericht vor. Darin bestätigten sie die zuvor schon von Präsident Bush präsentierte Surprise-Geschichte. Die USA seien durch die Anschläge völlig überrascht worden.

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Doch wie waren Kean, Hamilton und Zelikow zu dieser Erzählung gekommen? Wie konnten sie die Schuld von Afghanistan oder Osama Bin Laden beweisen? Die CIA lieferte mehr als 100 Verhörberichte aus Guantanamo an Kean, Hamilton und Zelikow, die selbst zwar nicht an der Folter beteiligt waren, aber darauf ihren Bericht aufbauten. Mehr als ein Viertel aller Fußnoten in ihrem Abschlussbericht verweisen auf »Berichte der Geheimdienste«. Auch der Kronzeuge der USA, der Pakistaner Chalid Scheich Mohammed, wurde gefoltert.

Auf dem Umschlag des Kean-Hamilton-Buches hätte man darauf hinweisen müssen, dass der offizielle 9/11-Bericht auf Folter beruht. Der Historiker Philip Zelikow versuchte dieses erstaunliche Vorgehen später zu rechtfertigen, indem er erklärte, »die CIA hat uns den direkten Zugang zu den Häftlingen verwehrt«. Aber ein solches Vorgehen ist in der historischen Forschung nicht zulässig. Weil er auf Folter beruht, ist der Bericht von Kean, Hamilton und Zelikow nicht vertrauenswürdig.

Zudem stimmt im Bericht von Kean und Hamilton die Anzahl der in New York eingestürzten Hochhäuser nicht: Der Einsturz von WTC7, das nicht von einem Flugzeug getroffen worden war, fehlt völlig. Dies ist eingrobes Versagen. Die offizielle Geschichtsschreibung von Kean, Hamilton und Zelikow zu 9/11 kann daher nicht ernst genommen werden. »Die Kommission hat ein unangenehmes Problem – die Erklärung, wie WTC7 praktisch im freien Fall einstürzen konnte – so umgangen, indem sie den Einsturz des Gebäudes einfach nicht erwähnte«, protestierte der Theologe David Ray Griffin, der intensiv zu 9/11 geforscht hat.

Die Sprengung von WTC7

Die meisten Menschen glauben, beeindruckt durch das Fernsehen, dass am 11. September 2001 in New York nur zwei hohe Türme eingestürzt sind. Aber das stimmt nicht, es waren drei. Nämlich die bekannten je 415 Meter hohen Zwillingstürme WTC1 und WTC2 sowie das 186 Meter hohe WTC7. Im Unterschied zu den Zwillingstürmen war WTC7 zuvor nicht durch ein Flugzeug getroffen worden. Trotzdem stürzte die massive Stahlskelettkonstruktion in nur sieben Sekunden um 17:20 Uhr ein. Das war rätselhaft. »Bis heute ist der Einsturz von WTC7 ein ungelöstes Rätsel der Anschläge«, erklärte die New York Times ein Jahr nach dem Terroranschlag, »weil vor diesem Tag in den USA noch nie ein Hochhaus aus Beton und Stahl wegen Feuer kollabierte.«

Ist es glaubhaft, dass die drei Türme wegen Feuer einstürzten, obwohl dies zuvor noch nie passiert war? Der Einsturz von WTC7 setzte plötzlich ohne erkennbare Vorzeichen ein und erfolgte vollständig in den eigenen Grundriss.

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In England sorgte damals Reporterin Jane Stanley von BBC, die am Tag der Anschläge live aus New York über den Einsturz von WTC7 berichtete, für Verwirrung. Sie berichtete am 11. September 20 Minuten zu früh über den Einsturz von WTC7, das Gebäude stand noch und war hinter ihr klar zu sehen. »Das war ein Fehler«, räumte Jane Stanley später ein. Auch BBC-Nachrichtenchef Richard Porter entschuldigte sich 2008 für das Versehen. BBC argumentierte, man habe diese Nachricht von der Nachrichtenagentur Reuters erhalten. Aber woher wusste Reuters vom Einsturz von WTC7, noch bevor dieser stattfand?

Der Einsturz von WTC7 kann nur zwei mögliche Ursachen haben: Feuer oder kontrollierte Sprengung. Während der ersten zweieinviertel Sekunden fiel der Turm mit seinen 47 Stockwerken im freien Fall, also ohne jeden Widerstand mit Erdbeschleunigung nach unten. »Wenn ein Körper aus der Ruhelage frei fällt, beträgt seine Geschwindigkeit nach einer Sekunde 35 km/h, nach zwei Sekunden 70 km/h. WTC7 beschleunigte auch nach der Phase des freien Fallens immer weiter bis deutlich über100 km/h«, erklärt der deutsche Physiker Ansgar Schneider, und fügt an: »Das ist atemberaubend, selbst für David Copperfield.

« Das Hochhaus WTC7 stürzte genauso schnell gegen den Boden wie ein Fallschirmspringer, der bei geschlossenem Schirm vom Dach des Gebäudes springen würde. Wie ist das möglich? WTC7 war ein solider Stahlskelettbau mit insgesamt 81 starken senkrechten Säulen, 57 verliefen entlang der Außenseiten, 24 Säulen bildeten den Kern. Wie kann ein Stahlskelettbau plötzlich in den freien Fall übergehen und wie ein Porsche auf über 100 km/h beschleunigen?

Zu dieser wichtigen Frage wurde erst 18 Jahre nach dem Terroranschlag die Antwort gefunden. Am 3. September 2019 publizierte US-Bauingenieur Dr. Leroy Hulsey von der Universität Alaska Fairbanks (UAF) eine 114 Seiten lange, fundierte Studie zum Einsturz von WTC7, die von der Gruppe Architects & Engineers for 9/11 Truth und deren Präsident Richard Gage in Auftrag gegeben worden war. Die Hulsey-Studie kam nach vier Jahren Untersuchung zu einem klaren und eindeutigen Ergebnis: »Feuer hat den Einsturz von WTC7 nicht verursacht. Der Einsturz des Gebäudes kann nur
durch das praktisch gleichzeitige Versagen aller Säulen erklärt werden«, so der Bericht. Obschon das Wort »Sprengung« im Bericht nirgends vorkommt, ist der Befund von Hulsey eindeutig und überzeugend: WTC7 wurde gesprengt.

Dieses Forschungsergebnis ist eine Sensation. Die ganze Geschichte zum Terroranschlag vom 11. September 2001 und zu den darauffolgenden Kriegen der USA muss neu geschrieben werden. Als Historiker interessiert mich der Einsturz von WTC7 seit vielen Jahren. Ich arbeitete als Senior Researcher an der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik der ETH Zürich, als ich 2006 mit ETH-Dozenten für Baustatik und Konstruktion den Einsturz von WTC7 diskutierte. »Nach meiner Meinung
ist das Gebäude WTC7 mit großer Wahrscheinlichkeit fachgerecht gesprengt worden«, erklärte mir damals Jörg Schneider, ein emeritierter ETH-Professor für Baustatik und Konstruktion. Auch Hugo Bachmann, ebenfalls emeritierter ETH- Professor für Baustatik und und Konstruktion, sagte mir, WTC7 wurde mit großer Wahrscheinlichkeit gesprengt. Diese Aussagen wurden 2019 durch den Hulsey-Bericht bestätigt.

Im Staub der Zwillingstürme wird Sprengstoff gefunden

Die vom US- Architekten Minoru Yamasaki erbauten Twin Towers wurden 1973 eröffnet und prägten während fast 30 Jahren die Skyline von New York. Weil die Studie von Leroy Hulsey die Sprengung von WTC7 wissenschaftlich nachweist, wird nun auch wieder über den Einsturz der Zwillingstürme WTC1 und WTC2 debattiert. Wurden auch die Zwillingstürme gesprengt? Oder sind sie wegen der Feuer eingestürzt? Das ist unklar, jeder muss sich nach bestem Wissen und Gewissen selbst eine Meinung bilden. Die im Jahre 2019 publizierte Studie der Universität Alaska von Leroy Hulsey fokussiert auf WTC7 und behandelt die Zwillingstürme nicht.

In Dänemark hat der Chemiker Niels Harrit, der an der Universität Kopenhagen Dozent war, zusammen mit dem US-Physiker Steven Jones, der an der Brigham Young University in Utah lehrte, den Staub untersucht, der sich nach dem Einsturz der drei Türme über Manhattan gelegt hatte. »Wir fanden Nanothermit in den Trümmern«, erklärte Niels Harrit 2009 im dänischen Fernsehen. Nanothermit ist ein vom Militär entwickelter Sprengstoff, den die Forscher in Form von winzigen rotgrauen Plättchen im Staub fanden. Für was wurde der Sprengstoff eingesetzt?

Die Türme waren mit Asbest belastet

Beim Bau des WTC wurde hitzebeständiger Spritzasbest als Brandschutz verwendet. »Die WTC-Gebäude enthielten hunderte Tonnen von Asbest«, fand US- Journalist Michael Bowker heraus, der ein Buch über Asbest und seine Opfer geschrieben hat. »Spritzasbest wurde im Nordturm auf mindestens 40 Etagen eingesetzt«. Totzdem habe die US Environmental Protection Agency (EPA) in den Stunden und Tagen nach den Terroranschlägen »absichtlich veraltete Messtechnik eingesetzt« und die Feuerwehrleute und Polizisten, welche vor Ort Erste Hilfe leisteten, nicht vor dem Asbest in der Luft gewarnt. Dies sei »schockierend und nicht erklärbar«, kritisiert Bowker.

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Der New Yorker Milliardär Larry Silverstein, der bereits das Gebäude WTC7 besaß, unterschrieb sechs Wochen vor 9/11 einen Pachtvertrag für 99 Jahre für den gesamten WTC-Komplex. Die Twin Towers hätten wegen der Asbestbelastung saniert werden müssen. Doch diese Renovationen entfielen wegen des Terroranschlages. Weil seine Versicherungspolice Terroranschläge ausdrücklich deckte, erhielt Silverstein nach dem Anschlag 4,5 Milliarden Dollar von sieben verschiedenen Versicherungen, darunter auch vom Schweizer Rückversicherer Swiss Re. Damit erbaute der Immobilienhändler ein neues WTC7 sowie als Ersatz für die Twin Towers das 540 Meter hohe One World Trade Center, das zum Zeitpunkt seiner Eröffnung 2014 das höchste Gebäude der USA war.

Wenn Asbest durch Sprengung oder Feuer in die Luft gelangt, können sich seine mikroskopisch kleinen Fasern in der Lunge einnisten. »Mehr als 5000 New Yorker, die den von Asbest durchsetzten Staub einatmeten, der sich durch den Einsturz der Türme des World Trade Centers über Manhattan legte«, seien dadurch an Krebs erkrankt, berichtete Zeit Online. Viele Feuerwehrleute und Polizisten sind an den Folgen gestorben. Allein im Nordturm waren 400 Tonnen krebserregendes Asbest enthalten, so Zeit Online. Doch weil die durch Asbest erzeugten Gesundheitsschäden erst mit großer Zeitverzögerung auftreten, wurde lange nicht darüber gesprochen. »Was Asbest anrichtet, zeigt sich erst nach Jahrzehnten«, erklärt der deutsche Arbeitsmediziner Hans-Joachim Woitowitz.

Dr. Daniele Ganser