Wahlwiederholung – Die Bundestagswahl 2021 war in Berlin teilweise verfassungswidrig

von Holger Gräf

Es war ein Skandal, der seinerzeit fast ungehört verhallte. Bereits Anfang 2022 hatte der damalige Bundeswahlleiter, Dr. Georg Thiel, die Wahl teilweise mit drastischen Äußerungen angefochten, so beispielsweise sinngemäß, dass die Bundesrepublik doch keine Bananenrepublik sei und es doch zu schaffen sein müsse, eine demokratische Bundestagswahl durchzuführen.

Wahlwiederholung der Bundestagswahl in Berlin

Das Wahldebakel vom 26. September 2021 könnte sinnbildlich für die Zerrüttung unserer Demokratie stehen. Vor zahlreichen Wahllokalen – vor allem in der Bundeshauptstadt – standen die Menschen Schlange, weil Stimmzettel nicht rechtzeitig angekommen waren. Als diese dann endlich vorlagen, stellte sich heraus, dass es teilweise die falschen waren oder falsch ausgegeben wurden. Zu jener Zeit hatten in Berlin gleich mehrere Wahlen stattgefunden, darunter die eigentliche Bundestagswahl, die Wahl zur Berliner Bürgerschaft sowie Kommunalwahlen. Dabei sind unterschiedliche Wahlberechtigungen hinsichtlich des Alters und der Nationalität zu beachten.

Hinzu kam, dass einige Wahllokale nicht pünktlich um 18:00 Uhr schlossen. Während die Hochrechnungen von den Medien bereits verkündet wurden, konnten Wähler noch ihre Kreuze machen.

Dass es zu diesen Zuständen kam, ist die eine Seite, die andere ist, wie die Berliner Landeswahlleiterin, Petra Michaelis, damit umging. Sie sah eine demokratische Wahl grundsätzlich nicht gefährdet, obwohl nicht einmal klar war, wie viele Wählerstimmen keine Beachtung fanden.

Der Wahlprüfungsausschuss hatte seinerzeit dem Antrag des Bundeswahlleiters zähneknirschend zugestimmt, wollte die Wahl jedoch nur in 431 von 2256 Berliner Wahlbezirken wiederholen. Zu wenig, meinte die Union und klagte gegen den Beschluss des Bundestags vor dem Bundesverfassungsgericht. Ihrer Ansicht nach müsste die Wahl in mindestens 1.200 Wahlbezirken wiederholt werden. Das wäre fast die Hälfte Berlins.

Nun entschied das Bundesverfassungsgericht und ordnete eine Wahlwiederholung in 455 Wahlbezirken an. Obwohl man sich in den Mainstreammedien betont gelassen gibt, was die konkreten Auswirkungen auf den Bundestag, insbesondere die Partei DIE LINKE, angeht, könnten dennoch die 38 Sitze der Linkspartei gefährdet sein. Diese hatten seinerzeit die 5 %-Hürde mit 4,9 % knapp verpasst und waren nur aufgrund einer umstrittenen Grundmandatsregelung überhaupt in den Bundestag eingezogen. Die Regel besagt, dass eine Partei auch in den Bundestag einziehen kann, wenn sie mindestens drei Direktmandate errungen hat. Auf DIE LINKE traf das zu, doch mit Gregor Gysi und Gesine Lötzsch zogen auch zwei Direktkandidaten ein, die jetzt neu gewählt werden. Verfehlen sie ihre Direktmandate, werden gleich 38 Sitze im Bundestag frei, darunter auch jene Sitze des heutigen „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW). Es mag grotesk klingen, aber Wagenknecht & Co. müssen jetzt ausgerechnet auf die Beliebtheit jener ehemaligen Parteikollegen hoffen, die eher zu ihrer parteiinternen Gegnerschaft gehörten und besonders unter der Parteispaltung litten.

Nach dem Bundeswahlgesetz findet eine Wahlwiederholung spätestens 60 Tage nach der Feststellung statt. Rein rechnerisch wäre dies der 11. Februar 2024.

 

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