Gastbeitrag von Peter Scheller
Die aktuellen Daten der Jugendstudie „Young Europe 2025“ zeigen: Viele junge Europäerinnen und Europäer zweifeln nicht an der Idee der Demokratie, wohl aber an ihrer gelebten Praxis. Für uns als basisdemokratische Partei ist das ein Auftrag: Demokratie muss wieder erfahrbar, wirksam und respektvoll organisiert werden – von unten nach oben, mit echter Mitbestimmung. Die folgenden Zahlen stammen aus der Originalstudie der TUI-Stiftung/YouGov (Erhebung April–Mai 2025) und seriösen Berichten, u. a. des Guardian.
Die wesentlichen Ergebnisse – nüchtern zusammengefasst:
Die Mehrheit ist für die Demokratie. Die Zustimmung zeigt aber Risse: Europaweit sagen 57 % der 16–26-Jährigen, Demokratie sei die beste Regierungsform. Die Spannweite ist groß: in Deutschland 71 %, Frankreich/Spanien ~51–52 %, Polen 48 %.
Autoritäre Ausweichfantasien existieren: 21 % würden „unter bestimmten Umständen“ eine autoritäre Regierung vorziehen (Höchstwert Italien 24 %, niedrigster Wert Deutschland 15 %).
Gleichgültigkeit und Unschlüssigkeit sind verbreitet: Knapp einem von zehn ist es egal, ob die Regierung demokratisch ist; 14 % wissen es nicht oder haben nicht geantwortet.
Ein Gefährdungsgefühl im Inland hat die Mehrheit in Deutschland: 48 % sehen die Demokratie im eigenen Land in Gefahr; in Deutschland sind es 61 %.
Das Funktionalitätsurteil für den Staat ist überwältigend: Nur 6 % finden, das nationale System funktioniere gut und brauche kaum Änderungen.
Wie sieht die Jugend die EU: Die Einstellung zur EU ist ambivalent und Reformbedarf wird gesehen. 39 % halten die EU für „nicht besonders demokratisch“, gleichwohl befürworten zwei Drittel grundsätzlich die EU-Mitgliedschaft. Nur 42 % nennen die EU unter den drei global einflussreichsten Akteuren (USA 83 %, China 75 %).
Die Klimapriorität nimmt ab: Nur noch rund ein Drittel setzt den Klimaschutz über Wirtschaftswachstum (2021 waren es noch 44 %).
Befragt wurden 6.703 junge Menschen im Alter von 16 bis 26 Jahre in DE, FR, ES, IT, GR, PL, UK. Der Umfragezeitraum war von April bis Mai 2025.

Warum tragen politische Eliten eine Mitverantwortung am Niedergang der Demokratie?
Die Studie identifiziert Gruppen mit besonders niedriger Demokratieunterstützung. Das sind besonders junge Menschen, die sich rechts der Mitte verorten und sich ökonomisch benachteiligt fühlen. Politikwissenschaftler Thorsten Faas betont: „Demokratie steht unter Druck – von innen und außen.“ Diese Befunde spiegeln ein doppeltes Defizit wider: fehlende Wirksamkeit in der Problemlösung und fehlende Zugehörigkeitserfahrung in der politischen Kultur.
Die aktuelle Forschung stützt diesen Befund:
- Kommunikationsstil der Eliten: In einer Analyse aus dem Jahr 2025 von ca. 18 Mio. Beiträgen von Parlamentariern in 17 Ländern zeigt sich ein Anstieg toxischer und unhöflicher Kommunikation, besonders bei radikalen und Oppositionsakteuren sowie bei „Kulturkampfthemen“ (Migration, LGBTQ+). Ein solcher Stil untergräbt das Vertrauen in die Fähigkeit demokratischer Politik, Konflikte zivil zu lösen.
- Affective Polarization in Parlamenten: Eine Studie zu Parlamentsreden in sechs europäischen Ländern weist konsistente affektive Polarisierung nach: Gegner werden systematisch negativer adressiert als das eigene Lager. Das schwächt die Kooperations- und Reformfähigkeit demokratischer Institutionen.
Wer Demokratie von oben nach unten verwaltet, wer Debatten zuspitzt, statt Bürgerdialog zu fördern, wer Ergebnisse verspricht, aber spürbare Verbesserungen bei Lebenshaltungskosten, Wohnen, Bildung und Unternehmensklima schuldig bleibt, verstärkt die Enttäuschung. Genau hier setzt Basisdemokratie an: Menschen einbinden, transparent entscheiden und verlässlich liefern.
Was kann getan werden?
Verbindliche Mitbestimmung organisieren: Bürgerräte, örtliche Abstimmungen und digitale Konsultationen mit klarer Wirkung auf Entscheidungen und eine öffentliche Rechenschaftspflicht der politischen Akteure.
Der politische Diskurs ist zu „entgiften“.
Problemlösen vor Symbolpolitik: Junge Menschen erwarten Ergebnisse – insbesondere bei Preisen, Wohnen, Ausbildungs- und Übergangswegen sowie weniger Bürokratielast. Die oft wahrgenommene EU-„Detailverliebtheit“ sollte durch sichtbare Prioritäten ersetzt werden.
Demokratie muss erlebbar werden: Jugendparlamente, offene Haushalte, projektbezogene Abstimmungen – damit Demokratie nicht nur Sonntagsrede, sondern eine Alltagserfahrung ist. Dies ist Teil einer politischen Kultur.
Zusammenfassung
Die Daten zeigen keine Totalabkehr, aber Erosionszeichen: Eine knappe Mehrheit bekennt sich zur Demokratie; ein Fünftel hält autoritäre Optionen für denkbar, fast die Hälfte sieht die eigene Demokratie gefährdet, nur 6 % bescheinigen dem momentan existierenden System funktionierende Institutionen.
Das ist ein Handlungsauftrag: Demokratie wird stark, wenn Menschen gehört, beteiligt und durch wirksame Politik überzeugt werden. Genau dafür steht dieBasis – für direkte Demokratie, respektvollen Umgang und Lösungen, die ankommen.
Quellen
TUI-Stiftung/YouGov (08.07.2025): „Young Europe 2025 – Ergebnisbericht (EN)“ – Original-PDF der Studie (Methodik, Länderdaten); https://www.tui-stiftung.de/wp-content/uploads/2025/07/20250708_YouGov_Ergebnisbericht_TUI_Stiftung_Junges_Europa_2025_EN.pdf
TUI-Stiftung (03.07.2025): Pressemitteilung „Jugendstudie 2025“ (DE) – Kernergebnisse, Zitate, Kontext; https://www.tui-stiftung.de/unsere-projekte/junges-europa-die-jugendstudie-der-tui-stiftung/jugendstudie-2025/
Euronews (09.07.2025): „Do young Europeans believe in democracy?“ – Kurzüberblick zu zentralen Befunden (57 %/48 %); https://www.euronews.com/my-europe/2025/07/09/do-young-europeans-believe-in-democracy
The Guardian (04.07.2025): „Young Europeans losing faith in democracy, poll finds“; https://www.theguardian.com/society/2025/jul/04/young-europeans-losing-faith-in-democracy-poll-finds
Törnberg, P.; Chueri, J. (28.03.2025): „Elite Political Discourse has Become More Toxic in Western Countries“ (arXiv-Preprint) – 18 Mio. Tweets von Parlamentarier*innen in 17 Ländern, Trend zu mehr „Toxicity“; https://arxiv.org/abs/2503.22411
Evkoski, B. et al. (26.08.2025): „Affective Polarization across European Parliaments“ (arXiv-Preprint) – Nachweis affektiver Polarisierung in sechs Parlamenten anhand von Redekorpora; https://arxiv.org/abs/2508.18916