Gastbeitrag von Hans Arold
Disclaimer: Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Gastbeitrag, der eine Einzelmeinung abdeckt. Er spiegelt nicht die Meinung der Partei dieBasis wider.
Die Partei dieBasis sieht sich weder als linke noch rechte Partei.
Die Begriffe „rechts“ und „links“ werden zur Beschreibung politischer Positionen benutzt, weil damit leicht eine erste grobe Einordnung vorgenommen werden kann. Nicht nur aus politikwissenschaftlicher Sicht ist eine solche Orientierung allerdings als zweidimensional anzusehen, weshalb diese Einordnung allein oft nicht aussagekräftig genug ist und es kommt sehr darauf an, auf welche Achse man sich konkret bezieht.
Historischer Bezug – die Herrschaftsfrage
Wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, wird sich daran erinnern können, dass die heute geläufigen Begriffe der Einordnung von politischen Akteuren nach „links“ und „rechts“ in das parlamentarische Spektrum auf die Sitzordnung in der Französischen Nationalversammlung zurückzuführen ist. Damals saßen die Anhänger des Status quo, also der Herrschaft des Königs und des Adels, auf der rechten Seite des Saales, während die Verfechter einer republikanischen Demokratie auf der linken Seite saßen.
Die politische Bedeutung der Begriffe „rechts“ und „links“ hat also seinen geschichtlichen Ursprung in der strukturellen Frage nach Herrschaft und Macht und wer diese ausüben können soll bzw. darf. Eine „rechte“ Position in dieser Frage ist streng hierarchisch, d.h. sie will eine auf Über- und Unterordnung beruhende Ordnung beibehalten¹ (oder auch einführen!), während die „linke“ Gegenposition ein System der Selbststeuerung und Selbstbestimmung sowie betont dezentraler Bottom-up-Entscheidungen propagiert, in dem die Menschen eben nicht in einem Über- und Unterordnungsverhältnis, sondern mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander stehen.²
Als besonders wichtige Konsequenz aus dem Streben nach Gleichberechtigung muss die Haltung zu Diskriminierung und Ausgrenzung gelten. Zur Begründung einer bestehenden Unterdrückung werden von den Tätern bei ihren Opfern abweichende Kriterien definiert, die zu einer aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft plausiblen Abwertung zu berechtigen scheinen. Wir wollen uns diese Erkenntnis merken – wir werden weiter unten darauf zurückgreifen.
Weitere „Achsen“
Neben der Herrschaftsachse, auf der „Hierarchie“ und „Heterarchie“ die Gegenpole bilden, gibt es noch weitere Achsen, auf die die vereinfachende Unterscheidung zwischen „links“ und „rechts“ häufig angewandt wird: Auf der Staatenachse lässt sich ausmachen, wer eher „nationalistisch“ und wer eher „internationalistisch“ orientiert ist, die Gleichheitsachse beschreibt das Spannungsfeld zwischen „egalitär“ und „elitär“ und die Veränderungsachse die Spanne von „progressiv“ bis „konservativ“.³
Während auf der Staatenachse und der Gleichheitsachse ohne größere Schwierigkeiten „nationalistisch“ bzw. „elitär“ als „rechts“ und „internationalistisch“ bzw. „egalitär“ als „links“ identifiziert werden können⁴, führen die Begriffe „progressiv“ und „konservativ“ auf der Veränderungsachse immer wieder zu erheblicher Verwirrung. Das liegt daran, dass sich
„Veränderungen“ natürlich auf die verschiedensten Themen beziehen können und zudem nicht immer fortschrittlich („progressiv“) sein müssen, sondern auch rückwärtsgewandt sein können. Das heißt, wünschenswerte Entwicklungen könnten auch wieder rückgängig gemacht werden. Um Veränderungsbestrebungen tatsächlich als „links“ einzuordnen, müssen sie die Möglichkeiten von Minderprivilegierten zur Mitwirkung an
Entscheidungsprozessen verbessern (wollen).
In letzter Zeit haben sich „linke“ Kreise zunehmend für einen (überwiegend nicht explizit antikapitalisitischen) Umweltschutz sowie für einige „neue“ unterdrückte/benachteiligte Gesellschaftsgruppen engagiert: Menschen mit seltener sexueller Orientierung⁵ oder einer unklaren bzw. vom biologischen Status abweichenden Geschlechtszugehörigkeit, ebenso wie Menschen nichteuropäischer Herkunft und Kultur.
In diesen Fällen wird vehement⁶ die – von einem wirklich „linken“ Standpunkt aus gesehen vollkommen entrückte – Meinung vertreten, dass sich die jeweiligen Opfer gerade gemäß den für ihre Unterdrückung herangezogenen Merkmalen der Diskriminierung identifizieren sollten, um sich aus dieser Opferrolle heraus zu behaupten, statt die Diskriminierung als solche zu bekämpfen und dazu beizutragen, sie gesamtgesellschaftlich zu überwinden.
Dabei kommt es zu absurden Vorwürfen wie der sog „kulturellen Aneignung“, wenn sich z.B. jemand – egal, ob aus einem interkulturellen Lebensgefühl oder sogar aus Solidarität heraus – Rasta-Locken machen lässt⁷.
Durch die Konzentration auf dieses – interessanterweise von oligarchischen Stiftungen stark unterstützte – Betätigungsfeld haben als „links“ geltende Institutionen/Parteien ihre Daseinsberechtigung als politische Kraft gegen Unterdrückung und für allgemeine Gleichberechtigung bei der Beteiligung an Entscheidungsprozessen weitgehend verspielt. Viele Menschen in einer zunehmend ökonomisch gefährdeten Situation reagieren auf das entstandene politische Vakuum mit einem vermeintlichen Rechtsruck, weil ihnen von den Medien suggeriert wird, die AfD stehe hierzu in Opposition.⁸
Kapitalismus: Fortschrittlich konservativ?
Wie wir oben festgestellt haben, ging es den „Rechten“ der ersten Nationalversammlung in Frankreich um das Bewahren (also „Konservieren“) der Herrschaftsverhältnisse und den „Linken“ um deren Wandel, was als fortschrittlich (progressiv) angesehen wurde. Mit dem Aufkommen des Kapitalismus während der Industrialisierung ergab sich hier jedoch eine irritierende Veränderung. Unternehmer und Konzerne, die durch das Eigentum an den Produktionsmitteln zu beträchtlichem Reichtum und Macht gekommen waren, konnten diese fortan dazu nutzen, die ganze Welt in einer Weise zu „verändern“, bei der man oft nicht mehr unterscheiden kann, ob sie fortschrittlich oder nur noch zerstörerisch ist.
Mit dem zerstörerischen Potenzial dieser ökonomischen Macht konfrontiert, entwickelten „linke“ Philosophen⁹ im 19. Jahrhundert diverse Gesellschafts- bzw. Wirtschaftskonzepte, in denen nicht nur die Frage nach der Herrschaft gestellt wurde, sondern auch, inwieweit eine Demokratisierung durch die extreme Ungleichverteilung von Eigentum und der damit einhergehenden Macht grundsätzlich be- oder sogar verhindert wird und wie sie letztlich mithilfe ökonomischer Veränderung zur Geltung kommen kann. Die Namen dieser Modelle lauten Sozialismus, Kommunismus und Anarchie.
In der DDR wurde ein System etabliert, das „real existierender Sozialismus“ genannt wurde, und man muss diese Bezeichnung als angeblich unvermeidliche Einschränkung in Bezug auf den ursprünglichen theoretischen Ansatz verstehen, weil der Fokus dermaßen stark auf die ökonomische Gleichheit gelegt wurde, dass die Gleichberechtigung bei der Beteiligung an Entscheidungsprozessen fatalerweise völlig in den Hintergrund geraten ist und eine demokratische Legitimation der Entscheidungen zugunsten totalitärer Strukturen völlig aufgegeben wurde. In dem Moment und in dem Maße (! ) aber, in dem ein linkes (also demokratisches!) System totalitär (hierarchisch) wird, verliert es jeden Anspruch darauf, tatsächlich „links“ zu sein.
Die DDR konnte auch theoretisch dem Anspruch nicht genügen, sozialistisch zu sein. Das lässt sich nachweisen, indem man einen Blick auf die Produktionsmittel wirft: Befinden die sich im Eigentum von wenigen Privatleuten, handelt es sich um Kapitalismus, gehören sie dem Staat, spricht man von Etatismus, und nur wenn sie im Besitz¹⁰ der Gesellschaft sind (also den Menschen, die im Arbeitsalltag mit ihnen umgehen), kann man von Sozialismus sprechen¹¹.
Manchmal liest man, die Nazis seien links gewesen – ist da etwas dran?
Zur Stützung dieser Behauptung werden verschiedene Argumente angeführt, die aber nur bei oberflächlichster Betrachtung diese These zu untermauern scheinen:
- Volksgemeinschaft = Sozialismus?
- Bekämpfung der Arbeitslosigkeit = Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen?
- Würdigung der Frauen = Gleichberechtigung?
- Moderne Technik & Wissenschaftsorientierung = Progressive Gesellschaft?
Die „Volksgemeinschaft“ im Dritten Reich war keinesfalls eine sozialistische Idee, sondern schlicht Ultranationalismus¹², der andere Nationen und auch „Fremdkörper“ in der eigenen Bevölkerung so radikal ablehnte, dass dies mit einer demokratischen Verfasstheit nicht vereinbar gewesen wäre. Ähnliche Etikettenschwindel (viele Linke ließen sich unreflektiert von dem Wort „Solidarität“ täuschen und erkannten nicht, dass es nur um Gehorsam ging) oder entmenschlichende Sprache („Blinddarm der Gesellschaft“¹³) haben wir während der Corona-„Pandemie“ zuhauf erlebt.
Der starke Rückgang der Arbeitslosigkeit war keine soziale Großtat der Nazis, sondern die Folge eines riesigen schuldenbasierten Programms für Rüstung und Kriegsvorbereitung und ohne den baldigen Ausbruch des Krieges wäre Deutschland bankrott gewesen. Die Arbeiter verloren in der NS-Zeit mit dem Streikrecht und der Freizügigkeit (sie wurden zwingend in der Rüstungsindustrie gebraucht) sogar wesentliche Einflussmöglichkeiten auf ihre Arbeitsbedingungen. Frauen wurden regelrecht aus dem Arbeitsmarkt verdrängt.
Die große „Würdigung“, die den Frauen im Dritten Reich angeblich zuteil wurde, hatte mit
Gleichberechtigung nämlich nichts zu tun. Lediglich in ihrer Rolle als Mutter wurden sie hofiert und mit Orden ausgezeichnet.
Die Nazis bedienten sich der damaligen technischen Möglichkeiten äußerst geschickt, um einen modernen Eindruck zu machen (obwohl sie lediglich mit modernen Mitteln einen kulturellen Rückschritt im Sinn hatten): „Volksempfänger“ und Volkswagen für alle, im Fernsehen übertragene Olympische Spiele, über den Atlantik fliegende Zeppeline, neue Kriegstechnik, streng „wissenschaftliche“ Begründungen für den Wahn, einer überlegenen „Rasse“ anzugehören (auch damals wurde menschenverachtend mit „follow the science“ geworben), …
Mit größtmöglichem Aufwand und dem Einsatz auch hochmoderner Mittel wurden extrem
rückwärtsgewandte, also reaktionäre Ziele verfolgt. Das nationalsozialistische Ideal war in einer verklärten Weise an der griechischen und vor allem römischen Antike orientiert, was besonders in der pompösen Architektur und den damals errichteten Skulpturen sichtbar wurde, aber ebenso auch in der Stärkung des patriarchalen Familienbildes und des im Alltag obligaten „Hitlergrußes“¹⁴. Jegliche moderne Kunst und Kultur wurde von den Nazis kategorisch abgelehnt. Bücher wurden verbrannt sowie neue Mal- und Musikstile¹⁵ als „entartete Kunst“ verbannt, um so die Reinheit der sog. „Deutschen Kunst“ zu bewahren.
Weder wurde das Eigentum nichtjüdischer deutscher Unternehmer und Bankiers jemals angetastet oder auch nur infrage gestellt, noch wurden die Rechte der Bevölkerung zur politischen Einflussnahme verbessert. Im Gegenteil: Gewerkschaften und die Gründung von Parteien waren verboten, außer zum Zweck von wenigen Bestätigungen Hitlers in seinem Amt gab es keinerlei Wahlen und Abstimmungen mehr und mit der angeordneten Gleichschaltung der Judikative ging die Rechtsstaatlichkeit verloren.
Ebenso witziges wie wichtiges und persönliches (Anm. der Redaktion) Fazit:
dieBasis ist die einzige traditionell linke Partei Deutschlands (auch wenn sich zahlreiche Mitglieder bislang gegen diese Einsicht sträuben 😉), weil sie als einzige essenziell mehr Gleichberechtigung bei politischen Entscheidungsprozessen einfordert und anstrebt.
Diejenigen, die es mit der Basisdemokratie ernst meinen, müssen sich von der Vorstellung verabschieden, man könne zurück in die behagliche Gemütlichkeit des Nicht-Wissens vor der „Corona-Krise“ (die ja am aller wenigsten eine Krise der Gesundheit war). Es gibt keinen Weg zurück in die Matrix, wo man sich der Illusion hingeben kann, man sei doch gänzlich unpolitisch. Stattdessen müssen wir uns über dringend erforderliche Veränderungen Gedanken machen:
- Wie können basisdemokratische Strukturen in unserem Alltag etabliert werden, die eine praktikable Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen gewährleisten?
- Wie können wir wirksamen Widerstand gegen die antidemokratischen Kräfte und die Macht des Tiefen Staats und der Oligarchen organisieren?
- Wie können wir besonders die ökonomische Macht der Superreichen begrenzen?
- Wie ermöglichen wir mehr Selbstbestimmung in unserem Bildungssystem?
- Wie organisieren wir, dass Medien jedem ermöglichen, sich eine eigene Meinung zu bilden?
- …
Links und Fußnoten:
¹ vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Hierarchie
² vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Heterarchie
³ vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Politisches_Spektrum#M%C3%B6gliche_Gegens%C3%A4tze
⁴ Der Vollständigkeit halber: Eine nationalistische Einstellung beruht auf einer grundsätzlichen Konkurrenz von Ländern gegeneinander, die dazu führt, dass die hierarchischen Strukturen innerhalb der Länder unangetastet bleiben, weil der äußere Feind dies erfordert. Der internationalistische Standpunkt stellt hingegen die Solidarität der Völker bei ihrem Kampf gegen die jeweiligen Unterdrücker in den Mittelpunkt. Egalitäre Positionen fordern rechtliche wie ökonomische Gleichstellung aller Menschen und somit eine Verbesserung für Unterprivilegierte, während aus
elitärer Sicht die bestehenden Ungleichheiten Ergebnisse einer gerechten Entwicklung sind, die beizubehalten sind. ⁵ Schwule und Lesben sind gesellschaftlich inzwischen „normal“. Sie distanzieren sich zunehmend von LGBTQ.
⁶ … meistens erheblich stärker als von den eigentlich Betroffenen…
⁷ https://www.deutschlandfunkkultur.de/dreadlocks-kulturelle-aneignung-fridays-for-future-102.html Ironischerweise
scheint es akzeptabel zu sein, Reggae zu spielen, aber nicht, seine Haare selbstbestimmt zu frisieren.
⁸ Das Gegenteil ist der Fall: Die AfD ist eine stramm neoliberale Partei, die die bestehenden Herrschaftsstrukturen
befürwortet und unterstützt, aber nichts an ihnen ändern will.
⁹ z.B. die Kommunisten Marx und Engels, der Sozialist Karl Grün sowie die Anarchisten Proudhon und Bakunin ¹⁰ Eigentum beschreibt den juristischen und Besitz den faktischen Anspruch auf eine Sache. Interessant ist hier
übrigens, dass der Sozialismus eine Gesellschaft lediglich ohne Eigentum an Produktionsmitteln anstrebt, während
das WEF tatsächlich die Besitzlosigkeit aller (anderen, also nicht-oligarchischen) Menschen will.
¹¹ vgl. Erik Olin Wright, Reale Utopien – Wege aus dem Kapitalismus, Suhrkamp-Verlag, Berlin, 2017
¹² https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalismus#Ultranationalismus
¹³ Sarah Bosetti mit einem besonders unappetitlichen Beispiel: https://www.youtube.com/watch?v=d4QIFFS53Rc&t=6s ¹⁴ Der „Hitlergruß“ leitet sich vom zunächst von den italienischen Faschisten adaptierten „Römischen Gruß“ ab.
¹⁵ Expressionismus, Surrealismus und Kubismus in der Malerei ebenso wie Swing und Jazz in der Musik