Erneutes Debakel bei der Wahldurchführung in Berlin

von Holger Gräf

In Berlin war es am 26. September 2021 zu so eklatanten Versäumnissen bei der Wahl gekommen, dass diese schlussendlich wiederholt werden musste. Am 12. Februar fand diese, mit großer Spannung erwartete Wahlwiederholung statt. Dass die Wahlleitung aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt habe, war breiter und unangezweifelter Konsens. Die Zahlen für ihre Hochrechnungen kämen etwas später als üblich, weil man natürlich dieses mal ganz genau auszählen würde, war ein häufig gehörter Satz in den Wahlstudios der großen Medienanstalten.

Dass es dennoch wieder zu Pannen kam, ist betrüblich – wie groß die Ausmaße der neuerlichen Versäumnisse sind, ist jedoch ein ausgewachsener Skandal.

Wahlpanne in Berlin

Zunächst schien es so, als seien „lediglich“ ein paar Stimmzettel nicht ausgezählt worden. Versehentlich natürlich. Kann ja mal passieren. Schnell stellten die Mainstreammedien dann klar, dass man diese nun nachgezählt habe und die Ergebnisse veröffentlichen werden. Bereits zu diesem Zeitpunkt ging man von einer Verschiebung in der Sitzverteilung aus. Im Klartext heißt das nichts anderes, als dass die „übersehenen“ Stimmzettel möglicherweise zu einem, nicht demokratisch gewählten Parlament geführt hätten.

Richtig dicke kam es erst am 17. Februar. Da fand man dann heraus, dass es mehr abgegebene Stimmen als Wähler gegeben hat. Im Gegensatz zu versehentlich nicht ausgezählten Stimmzetteln, kann die einzige Erklärung dafür, dass es mehr Stimmen als Wähler gab, nur ein versuchter Wahlbetrug sein. Anders ist dieser Umstand nicht zu erklären. Natürlich kommt es immer wieder vor, dass die Wahlleiter Briefwahlunterlagen an Personen verschicken, die kürzlich verzogen oder verstorben sind. Es ist jedoch nahezu undenkbar, dass dies in dieser Größenordnung geschehen ist und dass sich in jedem dieser Fälle, Anverwandte daraufhin zu einem Wahlbetrug hinreißen ließen.

Wie groß die Differenz zwischen tatsächlichen Wählern und sogenannten „Geisterwählern“ war, zeigt der ehemalige BILD Chefredakteur Julian Reichelt auf seinem Blog pleiteticker.de. In einem Wahllokal in Berlin Steglitz-Zehlendorf gab es 275 registrierte Wähler, aber 375 angegebene Stimmzettel. 100 Stimmzettel zu viel also. Oder anders ausgedrückt: Rund 25% der ausgezählten Stimmen stammten nicht von echten Wählern. Zugegeben, ganz so dramatisch stellt es sich in den anderen Wahllokalen nicht dar, dafür handelt es sich aber um sehr viele Wahllokale.

Cui bono?

Die Frage aller Fragen, die es nun zu klären gilt, lautet: Wer hat von dieser Schummelei profitiert oder wollte davon profitieren? Und wie sind die Stimmzettel in die Wahlurne gelangt? Wenn es Antworten gibt, stellt sich sofort die Frage, wie man darauf reagieren sollte. Wahlbetrug bzw. Wahlfälschung ist in Deutschland per se ein Straftatsbestand, der mit bis zu 5 Jahren Haft geahndet werden kann. Politische Folgen, wie etwa den Ausschluss einer Partei von weiteren Wahlteilnahmen, falls diese als Triebfeder der Mogelei ausgemacht werden kann, sind dort leider nicht vorgesehen. Dafür sind die Wahlleiter zuständig und diese sollten umgehend handeln, falls sich herausstellt, dass die meisten Geisterstimmen ein und derselben Partei zuzuordnen sind.

Schwachpunkt Wahlhelfer

Bei einer Wahl in der Größenordnung einer Bundestags- oder Landtagswahl, sind unzählige Wahlhelfer im Einsatz. Fast alle arbeiten ehrenamtlich, aber viele davon offenbar nicht ganz uneigennützig. Immer wieder hat sich gezeigt, dass Wahlhelfer nicht immer objektiv sind. Der letzte große Skandal, der inzwischen schon wieder verhallt ist, erfolgte während der Hamburger Bürgerschaftswahl im Jahr 2020. Dort war die FDP zuerst drin und dann wieder draußen, als klar wurde, dass in einem Wahllokal in Hamburg-Langenhorn, rund 22% der Stimmen für die Grünen mit Stimmen für die FDP verwechselt worden waren. Natürlich haben die Grünen sofort insistiert und auch noch in der gleichen Woche ihre Stimmen zurückerhalten. Doch was, wenn es eine kleine Partei trifft… oder eine „unbeliebte“? Spätestens seit dem Vortrag des Bundeswahlleiters vor dem Wahlprüfungsausschuss des Bundestages, wissen wir, dass die Stimmenauszählungen praktisch nicht überwacht, geschweige denn anschließend angezweifelt werden. Wenn nicht gerade der eine oder andere Wahlbeobachter vor Ort ist, kann dort passieren, was aus Sicht politisch interessierter Ehrenamtler dann eben passieren muss.

Rechnet man das hoch, könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass es bei keiner einzigen Wahl wohl zu 100% mit rechten Dingen zuging. Wann immer sich eine Gelegenheit ergab, seiner eigenen Partei einen Vorteil zu verschaffen, wurde das wohl auch gemacht. Dass es in Berlin nun ans Licht kam, hängt wohl eher damit zusammen, dass diese Wahl unter besonderen Beobachtung stand als damit, dass dort die unredlichsten Wahlhelfer ihren Dienst verrichten.

Deutschland nicht mit den USA verwechseln

So dramatisch das alles auch ist – wir sprechen hier nicht von einem Wahlbetrug in dem Ausmaße, wie er wohl in den USA möglich ist und wahrscheinlich auch schon hier und dort zum Einsatz kam. Das wäre in Deutschland schon alleine deshalb nicht möglich, weil hier die Zahl der Wahlberechtigten von vornherein bekannt ist. Zusätzliche Stimmzettel kann man also lediglich hier und dort einmal unterschieben und dann hoffen, dass entsprechend viele Wähler von ihrem Wahlrecht gar keinen Gebrauch machen. Wenn die Wahlbeteiligung – wie in Steglitz-Zehlendorf – dann doch überraschend hoch ausfällt, fällt der Schwindel recht schnell auf.

Dies ist übrigens ein Grund mehr, nicht auf sein Wahlrecht zu verzichten.

Was nun? Noch einmal eine Wiederholung der Wahl?

Obwohl die ehemalige rot-rot-grüne Regierung Berlins massiv an Stimmen eingebüßt hat, ist sie nach wie vor in der Lage, eine neue Regierung zu bilden. Ihr kann daher kaum an einer Wahlwiederholung liegen.

Für kleinere Parteien wird es immer aufwändiger und teurer, sich für einen Wahlkampf zu rüsten, Plakate drucken zu lassen, Wahlkampfstände zu betreiben u.s.w., wenn der ganze Aufwand am Ende für die Katz war. Wir müssen wohl damit leben, dass Berlin nicht in der Lage ist, eine skandal- und pleitefreie Wahl abzuhalten.

Unser Hauptaugenmerk sollten wir daher vielmehr jetzt auf zukünftige Wahlen richten. Wir sollten sicherstellen, dass es zu keinen neuerlichen Versuchen der Wahlfälschung kommt. Und falls doch, dann müssen wir sie aufdecken.

 

Kontakt zur Redaktion der Basis: