von Stefan Nocon
Historisch hat die politische Links-Rechts Unterscheidung ihren Ursprung in der französischen Nationalversammlung von 1789. Damals saßen die Anhänger der Monarchie rechts vom Präsidenten der Versammlung aus gesehen, während die Revolutionsanhänger bzw. die Kritiker der Aristokratie links beheimatet waren (1).
Die „Linke“ steht seither eher für oppositionelle, progressive Kräfte, die „Rechte“ eher für Konservative (konservativ = „bewahrend“) (2).
Diese Sitzordnung spiegelt sich so oder ähnlich in fast allen demokratischen Parlamenten wider.
In Deutschland sitzt die Linke ganz links, dann folgen die Grünen, die SPD, die FDP und schließlich kommen die CDU und ganz rechts die AfD. Ob diese Einteilung noch zeitgemäß ist, wer sie definiert und nach welchen Kriterien, das ist eben genau die Frage, auf die wir nun genauer eingehen wollen.
Und gleich vorweg: Es ist nicht einfach!
Dem Thema „rechts“ muss man sich nach meiner Ansicht von der absolut unschönen extremistischen Seite nähern, um am Ende zu einigermaßen sinnvollen Einschätzungen zu kommen. Rassismus hat viele Seiten, aber eine der widerwärtigsten ist natürlich unbestritten ein Rassenwahn, nach dem die eigene Abstammung anderen Völkern und Kulturen angeblich überlegen ist und man eine Minderwertigkeit der anderen ableitet, die bis zu einer ethnischen Vernichtung gehen kann. Denn genau das ist passiert. In perfider Perfektion in unserer Vergangenheit durch die Nationalsozialisten, doch auch in anderen Fällen, aber nur deren Erwähnung birgt heutzutage die Gefahr einer nicht beabsichtigten Relativierung der Geschehnisse im sog. „Dritten Reich“.
Dieser – einer längst falsifizierten Einteilung der Menschen in verschiedene ethnische Gruppen – Methodik (3) folgten die führenden NSDAP-Ideologen und konstruierten so eine Abwertung der aus ihrer Sicht zu unterdrückenden „Völker“ wie Juden, Slawen etc. Wobei in dieser menschenverachtenden Rhetorik auch alle anderen politischen Gegner wie Sozialdemokraten, Kommunisten und sonstige unliebsamen Kritiker eingeschlossen wurden.
Rassismus (4) scheint ein unbestrittenes Merkmal für „rechts“ zu sein. Er ist quasi Alleinstellungsmerkmal der nationalsozialistischen Ideologie, die italienischen und spanischen Faschisten haben ihn eher aus pragmatischen Gründen und der Verbundenheit mit Hitler übernommen. Man muss natürlich erwähnen, dass es auch in linken Regimen eine dem Rassismus ähnliche Form der Abwertung, Ausgrenzung und Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen gab, beispielsweise bei stalinistischen Säuberungen oder in den Nachwehen der Französischen Revolution.
„Antisemitismus“ ist ein weiterer Begriff, den man als „rechts“ verortet. Wie schon oben beschrieben, ging dieser bei den Nationalsozialisten mit dem Rassismus einher. Die Wurzeln der Gegnerschaft der jüdischen Religion liegen natürlich historisch viel weiter zurück und wurden durch religiösen Fanatismus auch von der christlichen Kirche und anderen Religionen gefördert. So gab es bereits im Mittelalter einen latenten Antisemitismus, der sich in grauenhaften Ausprägungen zeigte.
Antisemitismus – wie Rassismus – gibt es leider in vielen Gruppen, z.B. bei den direkt am Nahost-Konflikt beteiligten Gruppen wie beispielsweise den Palästinensern, wo es auf Demonstrationen in Berlin auch zu antisemitischen Äußerungen kam (5). Trotzdem würde nun niemand diese Menschen als „Rechte“ bezeichnen.
Ein weiterer Aspekt der rechten Ideologie ist der Faschismus (6). Dieser hatte seinen Ursprung in den 1920ern in Italien, wo die Utranationalisten um Benito Mussolini eine Gleichschaltung des Staates mit starker militärischer Ausprägung und Personenkult verbanden. Die Nationalsozialisten übernahmen begeistert viele Elemente in ihren neuen Staatsaufbau und ihre Ideologie in der Hoffnung, damit ähnliche Erfolge in Deutschland zu erzielen, was dann ja leider auch geklappt hat – im Übrigen auch mit großer finanzieller Hilfe von amerikanischen Geldgebern wie Henry Ford, der selbst Antisemit war (7).
Faschistische Systeme gab es im Folgenden immer wieder, einhergehend auch mit Diktaturen wie zum Beispiel dem Stalinismus, der aber der marxistisch-leninistischen Ideologie folgte. Also Faschismus ist sicher ein Merkmal, welches einen rechtsextremen Staat kennzeichnet, aber Totalitarismus gibt es auch links.
Als ein weiterer Punkt für eine extrem rechte Orientierung wäre der Ultranationalismus (8) zu sehen, wobei dann nicht nur die eigene Nation über Gebühr verherrlicht wird, es werden andere Nationen auch abgewertet. Ein „gesunder“ Nationalismus, wie er sicherlich von der Mehrheit der Nationen – beispielsweise bei internationalen Sportereignissen – gelebt wird, respektiert die anderen Nationen und geht eben „sportlich fair“ mit ihnen um.
In der Vergangenheit haben sich sehr viele Konflikte und Kriege auch aus mangelndem Respekt oder wegen der Demütigung von Ländern ergeben, in denen es dann die Protagonisten leicht hatten, die verursachenden Nationen als die „Wurzel des Übels“ darzustellen. Dies geschah schon im Römischen Reich gegenüber Karthago, aber selbstverständlich auch nach dem 1. Weltkrieg, als die Deutschen die Niederlage und die Reparationsforderungen der Franzosen und der Alliierten als Demütigung ansahen und Hitler hier den Grundstein für seine späteren Rachefeldzüge legen konnte. Dies gelang nur aufgrund der anfänglichen Duldung und Unterstützung durch die alten militärischen Eliten wie Hindenburg.
Also kann man als Zwischenfazit schon mal feststellen: Rassismus und Antisemitismus sind ein Hinweis für eine rechte Gesinnung, aber noch kein Alleinstellungsmerkmal. Ultranationalismus kann auch in eher „linken“ (z.B. sozialistischen) Staaten vorkommen, wird aber heutzutage eher als „rechts“ bezeichnet. Faschismus wird definitiv als „rechts“ bezeichnet, wobei Totalitarismus ein Kennzeichen aller Diktaturen – links wie rechts – ist.
Heutzutage wird als „rechts“ meist das Streben nach einem Staat nach nationalsozialistischem Vorbild gesehen. Folgende Indizien sind typisch für faschistische, diktatorische Systeme:
- Abschaffung der Demokratie (keine freien Wahlen, die Bürger haben keinerlei Einflussnahme auf die Politik)
- Gleichschaltung der Medien (staatliche Kontrolle)
- Einschränkung / Aufhebung der politischen Grundrechte wie Meinungs- und Redefreiheit, Versammlungs- und Demonstrationsrecht
- Aufrüstung / Ausbau des Militärs
- Abschaffung der Gewaltenteilung
Speziell den „Neo-Nazis“ wird heutzutage außerdem ein antiquiertes Frauenbild zugeschrieben („Frau an den Herd“), wobei nach dieser Definition sehr viele patriarchalisch geprägte Gesellschaften darunter fallen würden.
Die oben geschilderten Punkte sind natürlich klar extremistisch, aber was heißt denn „rechts“ beispielsweise nach den Erfahrungen des 2. Weltkriegs? Wie in unserem Artikel Was ist eigentlich links? die linken Positionen beschrieben werden, sollte man auch darstellen, was „rechts“ ist. Eigentlich sind dies zunächst konservative bis reaktionäre Positionen, die mehr oder weniger kapitalistisch orientiert sind. Das waren nach dem Krieg die Positionen der CDU/CSU unter Adenauer und Co, die sich für eine soziale Marktwirtschaft ausgesprochen und eher arbeitgeberfreundliche Positionen vertreten haben, als Gegenpart zur SPD, die sich gewerkschaftsnah für Arbeitnehmerrechte eingesetzt hat.
Die FDP als Kleinpartei war früher (und das soll nicht abwertend gemeint sein) die Klientelpartei der Selbstständigen und trat für weniger Staat ein, teilweise sogar für weniger staatliche Kontrolle. Mit dem Aufkommen der Grünen und vielen neuen gesellschaftlichen Fragen und Problemen wie beispielsweise Abtreibungsrecht oder Umweltschutz zeigten sich dann doch deutliche Unterschiede zwischen den christlich geprägten Parteien einerseits und der SPD sowie den Grünen andererseits, was sich dann auch in den Koalitionen zeigen sollte.
Es hat aber immer wieder Verschiebungen gegeben. So hatten die früheren Grünen als Haupt-Themen vorrangig Umweltschutz, Atomausstieg und sie waren eine Antikriegspartei, was sich dann in Teilen sehr geändert hat. Auch ein Helmut Schmidt würde vermutlich nicht mehr in die aktuelle SPD passen. Einige seiner damaligen Aussagen würden heute sicher von manchen als „rechte“ Rhetorik bezeichnet.
Wenn heutzutage von Anhängern des eher linken Spektrums bestimmte Haltungen als „rechts“ bezeichnet werden, wie „nicht gendern“, „nicht geimpft sein“ oder im Ukrainekrieg „gegen Waffenlieferungen“ zu sein, ist das natürlich grundfalsch, denn hier wird davon ausgegangen, dass jemand, der z.B. nicht gendern will, automatisch auch ein antiquiertes Frauenbild hat.
Diese Pauschalisierungen sind nicht nur falsch, sie sind auch gefährlich, denn sie können in einer Diskussion, in der es möglicherweise nur um politisch wenig relevante Themen geht, eine der Seiten schnell in extreme (faktisch nicht gemeinte) Richtung framen, so dass die sachliche Ebene verlassen wird und man in vorgefertigte Meinungen und falsche Annahmen über die Gegenseite kommt. Dadurch wird die Gesellschaft aber mehr und mehr gespalten. Genau das erleben wir momentan.
Das gilt sicherlich auf beiden Seiten, aber es ist heutzutage für Menschen problematischer, zu Unrecht in eine „rechte“ Ecke gestellt, denn als linksextrem bezeichnet zu werden. Es kann aber nicht sein, dass man deshalb schwierige politische Themen wie z.B. Migration, Ukrainekrieg oder, wie in den letzten beiden Jahren, die Corona-Thematik aus der offenen Diskussion oft heraushält, weil hier ein zu großes Spaltpotential aufgrund des oben beschriebenen Mechanismus vorhanden ist.
Mittlerweile haben auch die Medien schon immense Angst, über manche Themen zu schreiben, weil hier teilweise keine sachliche Diskussion mehr möglich ist. Das merkt man bei den online-Ausgaben aufgrund der fehlenden, da abgeschalteten Kommentarfunktionen.
Einziger Ausweg aus dem Dilemma wäre, die politisch keinem klaren Spektrum zugehörige Ansichten oder Meinungen nicht zu werten, sondern einfach so stehen zu lassen. Nur weil jemand nicht gendert, will er nicht gleich die positiven Errungenschaften der Gleichberechtigung revidieren oder ist gar homophob.
Die vorhandenen Probleme mit der Massenmigration anzusprechen, darf Menschen nicht gleich in eine ausländerfeindliche oder gar rassistische Ecke stellen. Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus sind selbstverständlich indiskutabel. Hier haben wir historisch natürlich eine große Schuld auf uns geladen. Diese zu benennen und zukünftige Generationen zu mahnen, ist richtig und wichtig. Dabei muss in der Debatte ein vernünftiges Maß gefunden werden, um der fortschreitenden Politikverdrossenheit entgegenzuwirken.
Fazit:
Das politische „Rechts“ wurde noch vor zwei bis drei Jahrzehnten klar der CDU/CSU zugeschrieben, heutzutage wird mit „rechts“ nicht mehr eine konservative, unternehmerfreundliche Politik bezeichnet. „Rechts“ ist im Gegensatz zu „links“ aus meiner Sicht gesellschaftlich und medial sehr negativ besetzt und wird fast immer schon mit „rechtsextrem“ gleichgesetzt. Das ist falsch, denn hier gibt es wie oben beschrieben große Unterscheide zwischen den Positionen.
Da ich diesen Artikel für dieBasis schreibe, wird der aufmerksame Leser sicher eine Standortbestimmung der Basis im politischen Spektrum erwarten. Wenn man sich das Wahlprogramm (z.B. aktuell für Bayern) ansieht und analysiert, so gibt es sicher sehr viele bürgerliche Ansichten, wie beispielsweise die Förderung des Mittelstandes und vernünftige, ideologiefreie Energiepolitik. Aber auch sehr viele eher „linke“ Positionen wie Bekämpfung von Lobbyismus und den Auswüchsen des Turbokapitalismus, Priorität der kleinteiligen Landwirtschaft und verschiedene Aspekte zum Umweltschutz.
Das Wichtigste ist aber: Wir sind allein schon durch unsere Hauptforderung nach Stärkung und Ausbau der Demokratie, durch unsere Säulen mit Machtbegrenzung, Freiheit des Einzelnen, Achtsamkeit und Schwarmintelligenz durch Basisdemokratie weit weg von jeglichem rechten Gedankengut.
Wir sind eine Menschheitsfamilie und von daher sind Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und Kriege für uns ein rotes Tuch. Und Extremismus ebenfalls.
Lasst uns also wieder ohne Vorurteile miteinander reden und die weitere Spaltung der Gesellschaft verhindern! Themen sollten sachlich, faktenbasiert und ohne ideologische Vorbehalte diskutiert und von den Menschen entschieden werden. Die Politik muss ihren Bürgern zuhören und das geht am besten über basisdemokratische Prozesse.
Links zum Thema:
- https://de.wikipedia.org/wiki/Politisches_Spektrum
- https://magazin.sofatutor.com/schueler/politik-was-ist-rechts-was-ist-links/
- https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/menschenrassen/42123
- https://de.wikipedia.org/wiki/Rassismus
- https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/berliner-polizei-verbietet-pro-palaestinenser-demo-18821905.html
- https://de.wikipedia.org/wiki/Faschismus
- https://de.wikipedia.org/wiki/Henry_Ford
- https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalismus#Ultranationalismus