Ein Fussball-Märchen in der Wüste

Eine Bankrotterklärung des freien Sports und der Kniefall vor totalitärem Kapital

von Stefan Nocon

Mit der im Jahre 2010 getroffenen Entscheidung, eine Fussball-Weltmeisterschaft (1) in einen Wüstenstaat mit einer nicht existenten Fussball-Tradition zu vergeben, sollte eigentlich Jedem klar geworden sein, dass etwas gehörig schiefläuft.

Ein Fussball-Märchen in der Wüste - keith hardy PP8Escz15d8 unsplash

Dass man ein paar Jahre später, im März 2015, den Wettbewerb entgegen jeder Historie in die Wintermonate verlegt hat, um das Vorhaben überhaupt durchführen zu können, machte es nicht besser. Die Tatsache, dass in der Folge das Emirat zehntausende Gastarbeiter aus aller Welt ins Land holte, die teils unter widrigsten Bedingungen die Stadien und die Infrastruktur errichteten, ist inzwischen hinlänglich bekannt.

Die unwirklich anmutenden Diskussionen, ob bei diesen Bauarbeiten nun 6.500 oder bis zu 15.000 Gastarbeiter gestorben sind, zeigen schon, in welchem Ausmaß sich derartige Vorfälle bewegen.

Hier wurde für das Statement, eine Rasensportart in einem Wüstenstaat abzuhalten, einfach immenses menschliches Leid in Kauf genommen. Warum das Ganze?

Zum Einen wollte sich das Emirat sicher als modernes, weltoffenes Land präsentieren. Wie auch viele andere Golf-Staaten will man sich neben der finanziellen Haupteinnahmequelle – dem Öl – zukünftig weitere Geschäftsfelder wie beispielsweise den Tourismus und den Status als Handelsplatz erschließen. Das sind die Motive des Austragungsstaates und da Katar (2) ein sehr reiches Land ist, wurde hier mit Sicherheit größtmöglicher Einfluss auf die FIFA (3) und ihre Vergabegremien genommen; anders kann so eine Entscheidung nicht begründbar sein.

Die FIFA ist mit dieser Entscheidung endgültig zu einem Spielball global agierender Konzerne oder Staaten mit monetären oder machtpolitischen Interessen geworden. Um Sport geht es hier offensichtlich kaum noch. Dabei ist Fußball eigentlich ein schöner Mannschaftsport, bei dem in den Vereinen sehr viel wertvolle Arbeit geleistet wird. Auch die Fairness und Wertschätzung des Gegners wird im Grunde schon den Kleinen beigebracht.

Außerdem ist Fußball, wie die meisten Sportarten, immer auch ein Vergleich mit Mannschaften anderer Orte/Bundesländer/Länder/Kontinente. Gerade die „Derbys“ waren immer von Leidenschaft geprägt, wenn beispielsweise in den 1960er Jahren die „Sechzger“ aus dem Arbeiterviertel München-Giesing gegen die damaligen Underdogs des FC Bayern antraten. Heutzutage ist dieser regionale Vergleich mit Spielern aus dem entsprechenden Umkreis einer Beliebigkeit gewichen, bei der die international gehandelten und bestens bezahlten Akteure mal hier, mal da spielen und meist jeglicher lokale Bezug zur Spielstätte fehlt.  Natürlich wurde dies durch das Bosman-Urteil aus dem Jahr 1995 (4) begünstigt, das ermöglichte, Sportler wie Wertpapiere an den globalen Spielerbörsen zu handeln.

Fussball WM in Katar

Ob dieses Urteil, das im Grunde einen Sportverein wie jeden Arbeitgeber ansieht für den Sport zielführend war, mag jeder selbst bewerten.

Leider ist es bei Sportereignissen mittlerweile üblich, das es nur noch um Sponsoren, Einschaltquoten und Klicks in den sozialen Medien und damit rein um monetäre Interessen geht, von wenigen Ausnahmen abgesehen.

Die nun aktuellen Diskussionen um die Menschenrechtslage in Katar und vor allem in Bezug auf die Haltung des Austragungslandes zur LGBTQ+-Gemeinde sind aktuell in den Mainstream-Medien zwar das Hauptthema, aus meiner Sicht aber heuchlerisch, denn mit der Vergabe damals sollte eigentlich jedem klar gewesen sein, was für Konsequenzen sich aus dieser Entscheidung ergeben.

Im Zuge des LGBTQ+-Hypes in den Leitmedien redet niemand mehr über Frauenrechte. Frauen sind zwar nicht akut mit dem Tod bedroht, besitzen allerdings deutlich weniger Rechte als die Männer in Katar. Darum sorgt sich aber aktuell niemand und es gibt auch keine Demonstrationen in dieser Richtung.

Denn eines muss klar sein: Katar ist ein islamisches Emirat. Es ist eben keine Demokratie, sondern ein Staat, der zudem ein belegbares Problem mit Menschenrechten hat (5). Hier anzunehmen, man könne mit ein paar bunten Armbändchen einen Wandel herbeiführen, halte ich für äußerst naiv.

Quellen:

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fball-Weltmeisterschaft_2022
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Katar
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/FIFA
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Bosman-Entscheidung
(5) https://de.wikipedia.org/wiki/Menschenrechte_in_Katar

 

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