Sonntags in Sonneberg

Wie viel Demokratie verträgt Deutschland?

von Christina Kade

Am Sonntag wurde gewählt – nur ein Landrat. Das ist eigentlich kein besonderes Ereignis. Normalerweise schafft so eine Wahl es gerade einmal in die lokalen Medien. Doch dieses Mal wird die Wahl zum deutschlandweiten Politikum. In Sonneberg wurde ein „Präzedenzfall“ geschaffen, wenn man so will. Deshalb berichten die Leitmedien seit zwei Tagen darüber. Deshalb wird in den sozialen Medien von Politikern der Regierungsparteien die obligatorische Berufsempörung zur Schau gestellt und ihre Fans stehen ihnen kaum darin nach. Deshalb lassen sich sogar einzelne Medienvertreter zu Äußerungen hinreißen, die unter entgegen gesetzten Vorzeichen wohl als Hassrede durchgehen würden. Der Grund: Der „falsche“ Kandidat hat gewonnen.

Landratswahl Sonneberg

Das eigentlich Erschütternde an dieser Wahl ist weder der „Unmut“, dem viele Menschen jetzt Luft machen, noch ist es die Erkenntnis, dass Vertreter der Leitmedien sich daran beteiligen. Das eigentliche Problem ist der demokratische Offenbarungseid, den viele dabei leisten – ohne sich dessen bewusst zu sein. Bereits jetzt wird nach Schlupflöchern gesucht, um diese Wahl – wie einst die Wahl von Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten – „rückgängig zu machen“.

Ein Demokratie-Check des gewählten Kandidaten soll nun „klären“, ob er überhaupt für das Amt, in das er bereits gewählt wurde, infrage kommt. Das berichtet der Focus. (1) Die bestenfalls mittelmäßig befriedigende Begründung, wieso eine solche Prüfung nicht bereits vor der Wahl stattgefunden habe, hat man natürlich auch direkt parat. Dabei ist der Kandidat zur Zeit Abgeordneter im Thüringer Landtag. Das Problem ist allerdings, dass er der „falschen“ Partei angehört. Unabhängig davon, wie man zu dieser Partei steht oder ihre politischen Ziele bzw. ihr politisches Wirken beurteilt, handelt es sich bei dieser Wahl immer noch um einen demokratischen Prozess. Die Menschen haben von ihrem Recht Gebrauch gemacht und sich für genau diesen Kandidaten entschieden. Dies ist bindend, auch und insbesondere für jene, die das Nachsehen haben.

Wieso sie sich für diesen Kandidaten entschieden haben, ist leider viel zu wenig Gegenstand der Debatte. Stattdessen werden Scheinargumente angeführt. So wird darauf verwiesen, die Wahlbeteiligung hätte unter 60 % gelegen, was für eine Landratswahl eher solide scheint, bedenkt man, wie die Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen in den vergangenen beiden Jahren aussah. Niemand störte sich dabei an dem schwindenden Interesse der Wähler. Stattdessen inszenierten sich die Protagonisten, die nun in verschiedenen Ländern regieren als „Sieger“.

Ist Demokratie nur dann gut, wenn die „Richtigen“ gewählt werden? Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man Twitterposts von Politikern der Ampelparteien liest. Von Selbstreflexion keine Spur. Es mutet fast an, als wolle man dem abtrünnigen Wähler mit den schier undemokratischsten Mitteln, mit Beleidigung, Diskreditierung und Nazivergleichen, nun regelrecht einbläuen, wer einzig und alleine das Attribut „demokratisch“ verdient. Das ist, als wolle man durch Schläge seine Gewaltlosigkeit unter Beweis stellen.

Dabei wurde die Landratswahl hauptsächlich mit Bundesthemen geführt, die für einen Landrat freilich nur eine untergeordnete Rolle spielen. Dennoch hat man damit ganz offensichtlich einen Nerv getroffen und die Bevölkerung erreicht.

Eigentlich kann das niemanden ernsthaft überraschen, hat die Ampelregierung doch in den letzten Monaten sehr viel getan, um die Wähler gegen sich aufzubringen. Ganz offen haben mehrere Regierungsmitglieder zugegeben, bestimmte Handlungen auch gegen den Willen der Bevölkerung durchsetzen zu wollen. Dass derartige Ansagen von den Menschen immer wieder klaglos hingenommen werden, war kaum zu erwarten.

Schon während der Corona-Krise mussten viele Menschen schwere Einschnitte hinnehmen, sei es nun im eigenen Klein- oder mittelständischen Unternehmen oder durch die verordnete Kurzarbeit. Dann kam der Ukrainekrieg und brachte eine Steigerung der Energiepreise, die für viele eine existenzielle Bedrohung darstellt. Obwohl die Energiepreise inzwischen gedeckelt sind, kann von einem Aufatmen keine Rede sein, denn die Preissteigerung für Lebensmittel liegt laut Statistischem Bundesamt noch immer bei 14,9 %. (2)

Und genau in dieser Zeit genehmigt sich die Regierung einen Bonus von 3.000 Euro – steuerfrei. Das mag insgesamt verhältnismäßig wenig sein, wenn man bedenkt, was diese Regierung uns bereits gekostet hat. Für jemanden, der den Mindestlohn von 12 Euro verdient, ist es jedoch eine Menge Geld. Wenn man in Vollzeit für den Mindestlohn arbeitet, benötigt man aufgrund der Abgaben über zwei Monate, um so viel Geld zu verdienen. Ohnehin wurde die Erhöhung des Mindestlohnes bereits bei ihrer Einführung von den exorbitanten Energiekosten aufgezehrt.

Hinzu kommen skurrile Vorstöße im Bereich der Ernährung, eine Überpräsenz von Gendersternchen und ähnlichen Themen, die bei vielen Wählern den Puls hochschnellen lassen und Unverständnis auslösen. Von der neuen Rekordverschuldung und dem monströsen Neubau des Kanzleramtes ist dabei noch gar keine Rede.

Wer denkt, dass irgendwann ein Ende dieser Fehlleistungen in Sicht käme, wird immer wieder aufs Neue eines Besseren belehrt. Jüngst hatte das Wirtschaftsministerium einen Sinneswandel. Viele der gewährten Überbrückungshilfen aus der Coronazeit sollen nun zurückgezahlt werden. Die Begründung: Es müsse nachgewiesen werden, dass der Ausfall auch durch die Coronamaßnahmen entstanden sei. Außerdem dürfen nur bestimmte Kosten durch die Hilfen gedeckt werden. Solche Forderungen ergingen nicht nur an Autozulieferer, sondern u. a. auch an Friseure. Das berichtet Daniel Weinmann auf reitschuster.de. (3)

Die Begründung lässt einen sprachlos zurück. So könne der Umsatzrückgang ja auch auf ein mangelndes Kundeninteresse zurückzuführen sein – bei einem Friseur. Aber eigentlich ist das exakt das, was wir von einer Behörde erwarten dürfen, der ein Minister vorsteht, der glaubt, ein Betrieb könne problemlos einige Monate ohne Produktion überleben, ohne Insolvenz anmelden zu müssen. Woher soll ein Angehöriger der Bundesregierung auch wissen, ob ein Friseur wichtig ist? Immerhin hebt sich diese Regierung auch durch die hohen Kosten für ihre Visagisten ab und kann sich auf diese Weise der Sorgen des Pöbels entledigen.

Wenn es eines gibt, worauf wir vertrauen können, dann, dass diese Regierung strikt an ihrer bisherigen Linie festhält und auf diese Weise weiterhin Wähler dorthin treibt, wo sie diese eigentlich nicht haben will. Genau deshalb wird sie nämlich nie müde, die Menschen mit ihren Phrasen zu bedenken und sie zu beschimpfen. Wenn der Wähler „falsch“ wählt, dann ist der Wähler schuld, denn an der verfehlten Politik der Ampelregierung liegt es in keinem Fall. So jedenfalls lautet der Tenor, ob nun bei verschiedenen Medienschaffenden der Leitmedien oder in der Politik.

Und weil das so ist, bedarf es keiner Selbstreflexion und auch keiner Anerkennung des demokratischen Prozesses. Demokratie ist für einige eben nur dann gut, wenn die Wähler auch „richtig“ entscheiden.

Die Partei dieBasis hat einen klaren Standpunkt zu diesem Thema und bekennt sich zur Demokratie. Wir gehen sogar so weit und wollen die Menschen stärker in die demokratischen Prozesse einbinden. Dann wird Protestwählen gänzlich überflüssig, denn die Entscheidungen werden von den Bürgern getroffen. Und obwohl uns sehr wohl bewusst ist, dass die ein oder andere Entscheidung vielleicht anders ausfällt, als geplant oder gewünscht, ist das der einzig gangbare Weg. Echte Demokratie bedeutet mehr direkte Demokratie.

Quellen:

(1) https://www.focus.de/politik/deutschland/thueringer-afd-rechtsextremistisch-eingestuft-rechtsaufsicht-prueft-ob-afd-landrat-demokratie-tauglich-ist_id_197564220.html

(2) https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/_inhalt.html

(3) https://reitschuster.de/post/nur-leere-versprechen-staat-fordert-corona-hilfen-zurueck/

 

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