Die Gewaltenteilung – Schutzschild für Demokratie und Rechtsstaat?

von RA Reinhard Wilhelm

Die Gewaltenteilung ist in Deutschland nicht ausreichend gewährleistet.

Dass die Gewaltenteilung in Deutschland nicht angemessen funktioniert, wird durch verschiedene Forderungen aus der Justiz und der Rechtsprechung deutlich:

Gesetzgeberische Maßnahmen zur Sicherung der Unabhängigkeit des entscheidenden Richters, sowohl in Bezug auf seine Auswahl und Beförderung als auch auf seine Unabhängigkeit von der Verwaltung, sind notwendig, um die Grundlagen des Grundgesetzes zu gewährleisten.

(40. Deutscher Juristentag 1953)

In Deutschland ist die Justiz fremdbestimmt. Sie unterliegt der Leitung einer anderen Staatsgewalt – der Exekutive, an deren Spitze die Regierung steht. Ihr primäres Interesse liegt auf Machterhalt. Dieses sachfremde Interesse stellt eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Rechtsprechung dar. Richter sind keine Diener der Macht, sondern Diener des Rechts. Deshalb müssen Richter frei von Machtinteressen organisiert sein. In Deutschland ist dies jedoch nicht der Fall.

(Verwaltungsrichter Udo Hochschild: Gewaltenteilung im deutschen Bewusstsein)
Die Gewaltenteilung – Schutzschild für Demokratie und Rechtsstaat? - Gewaltenteilung

Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellt in seinen Urteilen vom 27. Mai 2019 fest, dass deutsche Staatsanwaltschaften nicht ausreichend unabhängig von der Exekutive agieren.

„Gewaltenteilung“ bedeutet, dass Ministerien und Behörden (Exekutive), Gerichte und Staatsanwaltschaften (Judikative) sowie die Gesetzgebung (Legislative) unabhängig voneinander agieren. Diese Gewalten sollen sich gegenseitig kontrollieren, um die Prinzipien des Rechtsstaats sicherzustellen.

Die Legislative soll die Exekutive kontrollieren, um sicherzustellen, dass beschlossene Gesetze umgesetzt werden. Die Exekutive wiederum soll beschlossene Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen und nur dann umsetzen, wenn sie den verfassungsmäßigen Anforderungen entsprechen. Die Rechtspflegeorgane sollen von der Legislative und Exekutive unabhängig und rein fachlich prüfen, ob Gesetze verfassungsgemäß sind und rechtskonform angewendet werden.

Die Gewaltenteilung ist dann gewährleistet, wenn:

  1. Staatliche Institutionen nur eine Gewaltenfunktion ausüben,
  2. eine Person jeweils nur eine Gewaltenfunktion ausüben darf,
  3. diese Person ihre Gewaltenfunktionen unabhängig und frei von Weisungen Dritter außerhalb der Gewalt ausüben kann.

Die Gewaltenteilung ist im Grundgesetz nicht ausdrücklich festgelegt.

  1. Es ist nicht eindeutig ersichtlich, dass der Gesetzgeber in Artikel 20 GG eine Gewaltenteilung vorgesehen hat, obwohl dies möglicherweise aus der Aufzählung der verschiedenen Gewalten abgeleitet werden könnte:

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

Art. 20 Abs. 2 GG

Eine klare, verbindliche Regelung zur Gewaltenteilung fehlt jedoch im Artikel 20 GG.

  1. Andere Bestimmungen des Grundgesetzes, wie Artikel 38 GG über die Wahl der Bundestagsabgeordneten oder Artikel 97 GG über die Unabhängigkeit der Richter, unterstützen teilweise die Idee der Gewaltenteilung.

Nach Artikel 20 Absatz 2 GG und Artikel 97 GG gilt die Unabhängigkeit der Rechtsprechung nur für die Richter, nicht jedoch für die gesamte Rechtspflege. Staatsanwaltschaften, die wie Richter und Rechtsanwälte Teil der Rechtspflege sind, können daher der Exekutive unterstellt sein.

  1. Andere Regelungen im Grundgesetz stehen im klaren Widerspruch zur Gewaltenteilung. Gemäß Artikel 63, 66 und 86 GG können Mitglieder der Bundesregierung auch Mitglieder des Bundestags sein, was eine Personalunion zwischen Legislative und Exekutive darstellt.

Der Verstoß gegen die Gewaltenteilung ist im Grundgesetz sogar angelegt.

  1. Gemäß Artikel 94 GG wird die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts zur Hälfte vom Bundestag und zur anderen Hälfte vom Bundesrat bestimmt. Aufgrund des faktischen Fraktionszwangs im Bundestag ist das freie Mandat der Abgeordneten praktisch eingeschränkt. Dies führt dazu, dass die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts stark von den Interessen der Parteien und der Regierung abhängt. Der Bundesrat wird wiederum von den Exekutiven der Länder gebildet, was ebenfalls zu parteipolitischen Interessen führen kann. Die jüngsten Richterwahlen haben dies deutlich gezeigt, da die Auswahl nicht nach Reputation, sondern nach parteipolitischen Interessen erfolgte. Die Auswirkungen auf die Unabhängigkeit und Qualität der Rechtsprechung sind bedenklich.
  2. Gemäß Artikel 95 GG werden für verschiedene Bereiche der Gerichtsbarkeit Bundesgerichte eingerichtet, darunter der Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, der Bundesfinanzhof, das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht.

Die Berufung der Richter für diese Gerichte wird vom jeweils zuständigen Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss entschieden, der aus den für das entsprechende Sachgebiet zuständigen Ministern der Länder und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern besteht, die vom Bundestag gewählt werden.

Daher haben Exekutive und Legislative Einfluss auf die Zusammensetzung des Richterwahlausschusses, obwohl der Bundestag nach Parteienproporz wählt (gemäß § 5 Absatz 1 RiWahlG).

 

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