Befindet sich Deutschland tatsächlich im Krieg mit Russland?

Eine Einschätzung von Holger Gräf

Die Wellen schlugen hoch, als Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Dienstag, den 24.01.2023, freimütig im Europarat bekundete, Deutschland befände sich im Krieg mit Russland.

Nun sind wir von unseren, eher bildungsfernen Ampel-Ministern ja schon einiges gewohnt und vieles von dem, was Baerbock, Habeck und Co. so von sich geben, kann man schlicht und ergreifend nicht ernst nehmen. Wir erinnern uns noch lebhaft an die Aussage des Bundeswirtschaftsministers, wonach Unternehmen, die kein Geld mehr erwirtschaften könnten, keineswegs insolvent seien, sondern einfach nur nicht mehr arbeiten würden. Und sicherlich erinnert sich auch so mancher noch an Baerbocks Aussage, wonach ihr ihre Wähler egal seien.

Und tatsächlich rudert das Scholz-Kabinett unmittelbar nach dieser Aussage zurück; spricht von einem „peinlichen Versprecher“. Wieder einmal!

Natürlich können wir uns bei der Einschätzung darüber, ob sich Deutschland nach den Lieferungen von Leopard II-Panzern nun mit Russland im Krieg befindet, nicht auf die Aussage einer ungebildeten Außenministerin verlassen. Und deren Einschätzung ist auch gar nicht entscheidend. Es ist auch nicht entscheidend, was nun gekaufte Medienvertreter oder überbezahlte „Fakten“checker davon halten. Wichtig ist einzig und allein, wie Russland die Situation einschätzt.

Russlandflagge und Deutschlandflagge

Um das herauszufinden, sollten wir dringend ein wenig Nachhilfeunterricht in Sachen Politik der späten 80er und frühen 90er Jahre nehmen. Einer der wichtigsten Errungenschaften jener Politik war, die Souveränität Deutschlands wiederherzustellen und somit die Wiedervereinigung zu ermöglichen. Festgelegt wurde das Ganze im sogenannten 2 + 4 Vertrag, der eigentlich mit voller Bezeichnung „Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“ heißt. Die beiden deutschen Länder setzten sich im September 1990 mit den vier Siegermächten (Frankreich, England, der Sowjetunion und USA) an einen Tisch und handelten einen Vertrag aus, der aus zwei besetzten Ländern schlussendlich ein souveränes Land machte.

Natürlich gab es nicht nur Zugeständnisse auf Seiten der Besatzer, sondern auch auf deutscher Seite. So heißt es beispielsweise in Artikel 2:

„Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihre Erklärungen, daß von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird. Nach der Verfassung des vereinten Deutschland sind Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und strafbar. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erklären, daß das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen.“

Dies findet sich auch im Grundgesetz in Art. 26 Abs. 1 wieder. Hier heißt es:

„Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“

Leider fehlt der Zusatz, welche Instanz im Falle eines Bruchs dieses Gesetzes sofort damit ermächtigt wird, eine solche Strafe auszusprechen und ggf. eine Regierung, die den Artikel bricht, in Haft zu nehmen. Denn nichts anderes als der Bruch, sowohl des 2 + 4 Vertrages, als auch des Artikel 26 GG liegt momentan vor, wenn militärische Schritte gegen ein anderes Land unternommen werden. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob deutsche Soldaten deutsche Waffen selber bedienen, oder ob man ukrainische Kräfte daran ausbildet.

Auch diverse Spitzfindigkeiten, wie etwa die Frage, ob es sich denn tatsächlich um einen Angriffskrieg handele, sind obsolet, da in beiden Texten deutlich aus dem Wort „insbesondere“ hervorgeht, dass es sich nicht zwingend um einen Angriffskrieg handeln muss.

Aus russischer Sicht ist Deutschland also vertragsbrüchig geworden. Eine der wichtigsten Auflagen, die man an unser Land gestellt hatte (den Frieden um jeden Preis zu wahren), wurde nicht eingehalten.

Reicht das aus, um Deutschland aus russischer Sicht zur Kriegspartei zu machen? Hoffentlich nicht. Doch auch wenn Russland versteht, dass Deutschland von bildungsfernen, unfähigen Politikern regiert wird und uns deshalb gar nicht ernst nimmt, so werden die Beziehungen unserer beiden Länder durch diese Akte wohl für Jahrzehnte belastet. Nun aber wäre es höchste Zeit, mit dem Zündeln aufzuhören.

Denn sollte Russland zu dem Ergebnis gelangen, dass wir Kriegsgegner sind, so werden wir das in dem Moment zu spüren bekommen, wo die Ukraine besiegt ist. Dann werden es nicht Baerbock, Habeck oder Scholz sein, die mit den Resten deutscher Waffen an die Front müssen – es werden unsere Söhne sein, die sinnlos sterben.