Das Goldene Buch der Stadt Wernigerode

Für den Besuch Robert Habecks anlässlich der Energieministerkonferenz (26.-28.09.2023) in Wernigerode hatte sich Oberbürgermeister Tobias Kascha (SPD) etwas Besonderes ausgedacht: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck soll sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen.

Kascha rechnete offenbar nicht mit dem Protest der Bevölkerung in der 35.000 Einwohner Stadt Wernigerode im Harz, der sich tagelang in den Sozialen Medien abspielte. ¹

Auch im Stadtrat des Ortes in Sachsen-Anhalt stieß Kascha zum Teil auf herbe Kritik. Mehrere Fraktionen lehnten die Ehrung des aktuellen Vize-Kanzlers ab und einige kündigten sogar an, der Ehrung bewusst fernzubleiben.

Das goldene Buch der Stadt Wernigerode

Während der Sitzung des Stadtrates am 21. September äußerten jedoch nicht nur Fraktionen ihren Unmut, sondern auch Bürger der Stadt, allen voran Skadi Helmert, Bundesvorsitzende der Partei dieBasis. Helmert zitierte zunächst aus der Richtlinie über die Ehrungen verdienter Persönlichkeiten in der Stadt Wernigerode und hier § 4 Absatz 1 zur „Eintragung in das „Goldene Buch“ der Stadt Wernigerode“, wonach Personen vorgeschlagen werden können, die durch vorbildliches, bürgerschaftliches Verhalten Verdienste erworben oder sich durch beispielhafte Einzelleistungen zum Wohle der Stadt verdient gemacht haben. ²

Auf ihre Frage, „Inwiefern trifft dies auf Robert Habeck zu?“, wich der Oberbürgermeister aus und sowohl er als auch Uwe Friedrich Albrecht (CDU) verwiesen auf Absatz 3 besagter Richtlinie, der dem Bürgermeister das Recht einräume, auch ohne Stadtratsbeschluss Eintragungen von Persönlichkeiten in das „Goldene Buch der Stadt Wernigerode“ zuzulassen. Dies entspreche der Willkommenskultur und der seit 30 Jahren üblichen Praxis der Stadt Wernigerode, meinte Kascha.

Schaut man sich die Liste von Persönlichkeiten der Stadt Wernigerode bei Wikipedia an ³, stolpert man unter den Ehrenbürgern der Stadt über den Namen Adolf Hitlers, der aus dem Goldenen Buch der Stadt Wernigerode erst „1991 offiziell gelöscht“ wurde. Insofern verwundert die Empörung vieler Medienhäuser in diesen Tagen, die die offene Frage Skadi Helmerts in dieser Stadtratssitzung kritisieren. Sie hatte gefragt, ob dieser Sachstand allen Beteiligten bewusst sei. Weitere Nachfragen von ihrer Seite wurden in der öffentlichen Sitzung nicht zugelassen.

Genau an dieser Stelle habe Skadi Helmert ansetzen wollen. „Ich wollte mit dieser Frage auf die Thematik von Seilschaften aufmerksam machen, bei der sich Politiker gegenseitig begünstigen, und darauf hinweisen, welche Konsequenzen daraus entstehen können, wenn man nicht genau hinschaut.“ 

„Mein Hauptfokus liegt auf den bereits auf Kommunalebene zu findenden Seilschaften, die zum Vorteil von Personen oder Parteien und oft zum Nachteil für die Bürger und Bürgerinnen sind und die zur Entkopplung der Beziehung zwischen Politik und den Menschen führen. Politiker sollten sich permanent bewusst sein, dass sie zum Wohle der Menschen handeln müssen und nicht anders herum, also die Bürger für das Wohl der Politiker sorgen.“

Aus der Sicht der Bundesvorsitzenden der Partei dieBasis sei es unbestreitbar, dass die Politik aus dem Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in den letzten Monaten in der Bevölkerung massiv für Unmut sorgte und auch die Frustration vieler Ortsansässiger in und um Wernigerode über das Heizungsgesetz, die Klimapolitik, die CO2-Steuer oder die Vetternwirtschaft im Ministerium komplett ignoriert wurde. Der Protest der Bürger gegen die Ehrung Robert Habecks sei da absolut nachvollziehbar und spiegele sich unter anderem auch wider in den Äußerungen des Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Stadtrat, Matthias Winkelmann, wonach Habeck nichts getan habe, womit er eine solche Würdigung verdient hätte. ⁴

Wünschenswert – ganz im Sinne der Basisdemokratie – wäre aus Helmerts Sicht eine frühzeitige Beteiligung der Bürger in der Frage nach einer möglichen Ehrung Robert Habecks gewesen, „weil sie so Gehör gefunden hätten. Das Goldene Buch ist hier nur symbolisch zu sehen.“

Etwas macht dieser Vorfall außerdem deutlich, dass nämlich öffentliche und veröffentliche Meinung oftmals deutlich voneinander abweichen, wie die Diskussionen und zustimmenden Kommentare zu Skadi Helmerts Auftritt in den Sozialen Medien zeigen. ⁵

Links

¹ https://www.facebook.com/groups/311988871017/search/?q=habeck

² https://www.wernigerode.de/media/custom/3098_722_1.PDF?1591280703

³ https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Pers%C3%B6nlichkeiten_der_Stadt_Wernigerode

https://www.merkur.de/politik/robert-habeck-wernigerode-gruene-hitler-vergleich-die-basis-cdu-fdp-wirtschaftsminister-zr-92546289.html

https://vm.tiktok.com/ZGJvjBAua/

Link zur Aufzeichnung der Stadtratssitzung: https://youtu.be/8tA-vvCfK04?si=arLSSwuEL9KdgArG (ab Min. 16)

 

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