Menschliche Fehler im Zusammenhang mit Atomwaffen

3 Jahre Atomwaffenverbotsvertrag

Gastbeitrag von Uwe Werner Schierhorn

Nachdem über die Weltenretter Petrov und Rupp bereits berichtet wurde, soll es in diesem Artikel um eine Analyse menschlicher Fehler im Zusammenhang mit Atomwaffen gehen. Dieser Aufsatz ist etwas länger geraten, denn er beinhaltet die Hälfte aller bekannten Vorfälle mit Atomwaffen.

Dem Menschen gelingt es mit Hilfe seines Verstandes, Technologien zu entwickeln, mit denen er sich die Erde „untertan“ macht. Dabei erweitert er seine begrenzten Sinne und Fähigkeiten beträchtlich. Jedoch bleibt er das, was er ist: ein biologisches Wesen, welches Fehler macht und seine Grenzen hat.

Atomare Abrüstung!

Diese Begrenztheit war in der vergangenen Menschheitsgeschichte (Jäger und Sammler) offensichtlich ausreichend. Jedoch kommen in unserer modernen Zeit immer mehr Herausforderungen auf ihn zu, die er nur schwerlich bewältigen kann. Vor allem bei komplexen technischen Systemen, die gewisse Sicherheitsanforderungen besitzen, gelangt er oft an seine Grenzen. Die Fehler, die er macht, haben mitunter schwerwiegende Konsequenzen. Vor allem in den Bereichen Verkehr (z.B. Luftfahrt, Raumfahrt, See, Schiene, Straße), Verfahren (z.B. Chemie) und Energie (z.B. Atomkraftwerke) gibt es eine Vielzahl von Unfällen und Katastrophen, die auf sein Konto gehen. Trotz strenger Richtlinien, Sicherheitsbestimmungen, Checklisten und regelmäßiger Belehrungen und Unterweisungen unterlaufen ihm Fehler. Im Bereich Atomwaffen ist das ebenso. Hier funktionieren dieselben Mechanismen wie z.B. in einem Atomkraftwerk oder an Bord eines Großraumflugzeuges. Also können wir aus Analysen betreffender Bereiche unsere Schlussfolgerungen ziehen. Und es gelten natürlich auch die allgemeingültigen verhaltenspsychologischen Gesetzmäßigkeiten. Menschliche Fehler sind etwas ganz Normales. (Literaturempfehlungen siehe Linkliste: [SchäferKomplex20], [VersagenMythos19], [LokVersagen99], [GEOVersagenFehler96], [VersagenPsycho94], [FlugUnfaelle87])

Versuchen wir nun einen Einblick in die menschlichen Fehler im Zusammenhang mit Atomwaffen zu gewinnen. Die betreffenden Ereignisse sind in den Bezugsquellen chronologisch gelistet:

[Schie2kurz], [Schie2lang], [Schie2druck]

Sie sind mit einem oder mehreren Codes versehen, die jeweils die Art der menschlichen Fehler wiedergeben. So sieht ein Ereignis in der Kurzversion aus:

1961-03-14:  US:                  (EWA/HAD) Yuba City/Kalif., Absturz B-52, 4 A-Bomben, Dekompression, Treibstoffmangel, keine Verseuchung, 1 Toter, Verletzte

Damit ist klar, dass Textblöcke mehrfach gelistet sein können aus Gründen der Vollständigkeit. Weiterführende Informationen:

Webseiten: [B1], [Schie3Senk]

Vorträge: [B2]

Filmtrailer: [TrailerLivingston], [TrailerArchipov], [TrailerPreminin], [TrailerGroenland],

Filmausschnitte: [FilmausschnittRupp], [FilmausschnittNN], [FilmausschnittBrown]

Physis (Gesundheit, Alkohol, Drogen, spez. Fähigkeiten etc.)

Eine gute physische, aber auch eine viel schwerer kontrollierbare gute psychische Verfassung ist für Entscheidungsträger und insbesondere für Personen, die unmittelbar mit Atomwaffen oder deren Frühwarn- und Entscheidungssystemen zu tun haben, von entscheidender Bedeutung. Drogenkonsum, insbesondere Alkohol, und auch Müdigkeit müssen vermieden werden. Leider spricht die Realität eine ganz andere Sprache.

In Zeiten, als die Sowjetunion von den USA mit Atombombern rund um die Uhr umflogen wurde, ereigneten sich besonders Unfälle durch Übermüdung. So ereignete sich am 14.03.1961 ein Absturz mit vier Atombomben. Es wurden jedoch Mittel zur Überwindung der Müdigkeit eingenommen.

Alkoholismus, Drogenkonsum und die Depressionen des US-Präsidenten Nixon gipfelten am 15.04.1969 in einem nuklearen Angriffsbefehl gegen Nordkorea:

https://en.wikipedia.org/wiki/Nuclear_close_calls

So wurde Nixon später, am 01.08.1974, von unterstellten Diensträngen „kaltgestellt“. Kaltgestellt in Entscheidungsfragen, das Nukleararsenal betreffend, um größeres Unheil abzuwenden.

Ab dem 01.01.2013 standen die US-Nuklearstreitkräfte für ein Jahr unter Beobachtung. Die Bilanz sah nicht gut aus: Das „Defense Science Board“, ein Komitee ziviler Experten zur Beratung des US-Verteidigungsministeriums, stellte die Fähigkeit des nuklearen Führungssystems in Frage, einen großen Hacker-Angriff abzuwehren. 19 Soldaten der Raketenbasen wurden als dienstuntauglich eingestuft und mussten ihre Abschussbefugnis abgeben. – Während der Untersuchung des Missbrauchs von Ecstasy und Speed durch zwei Launch Officers entdeckte die Air Force-Führung Beweise dafür, dass zahlreiche Offiziere der Launch Control bei Eignungsprüfungen betrogen hatten. – Generalmajor Michael Carey wurde nach einer offiziellen Reise nach Russland als Kommandant des Programms für Interkontinentalraketen entlassen, da ihm „unangemessenes Verhalten,“ einschließlich starken Alkoholkonsums, Unhöflichkeit gegenüber seinen Gastgebern und Verbindungen mit „verdächtigen“ Frauen vorgeworfen wurden. – Mehr als die Hälfte der 183 Soldaten der Air Force Base Malmstrom waren in den Betrugsskandal verwickelt. Neun Offiziere mit Aufsicht über Atomwaffen wurden letztendlich für den Betrug gefeuert. All dies wirft die Frage auf: Inwiefern hat sich 2014 von anderen Jahren unterschieden, in denen die Nuklearstreitkräfte nicht unter Beobachtung standen?

Ab dem 18.03.2016 standen die US-Nuklearstreitkräfte wiederum unter Beobachtung, diesmal für drei Monate. Drogenmissbrauch bei Gewährung der Atomsicherheit ? Gegen 19 Soldaten des 90. Missile Wing an der F. E. Warren Air Force Base wird wegen des Missbrauchs von illegalen Drogen ermittelt. Die Basis verfügt über 150 Atomraketen und die beschuldigten Soldaten waren für die Gewährleistung der Sicherheit der Waffen verantwortlich. All dies wirft die Frage auf: Inwiefern hat sich 2016 von anderen Jahren unterschieden, in denen die Nuklearstreitkräfte nicht unter Beobachtung standen?

Das am 01.07.2021 von Ex-Verteidigungsminister William Perry geforderte 4-Augen-Prinzip des Präsidenten und Verteidigungsministers bei nuklearen Entscheidungen ist als kleiner Fortschritt zu werten.

Kommunikation, intern

Die US-Luftwaffe führte am 26.10.1962 einen Raketentest durch, ohne vorher ihre Überwachungsstationen zu warnen. Um ein Haar wäre diese als sowjetisch interpretierte Rakete der Auslöser eines Atomkrieges geworden.

Ohne am 15.01.1995 ihre Radarstationen genau zu informieren, wurde von Russland eine norwegische-US-amerikanische Forschungsrakete fehlgedeutet. Und zwar als typische Atomrakete, wie sie von US-U-booten abgeschossen wird. Nur der Trägheit des alkoholkranken Präsidenten Jelzin ist es zu verdanken, dass nichts Schlimmeres folgte.

Entscheidungen bei gleichzeitigen Ereignissen

Auf dem Höhepunkt der Suez-Krise, die Weltkriegscharakter hatte, erhielt man am 05.11.1956 gleichzeitig mehrere Meldungen, die eine Art „Erwartungshaltung“ bestätigten: Nicht identifizierte Düsenjäger fliegen über der Türkei. Die türkische Luftwaffe ist in Alarmbereitschaft versetzt. 100 sowjetische MIG-15 fliegen über Syrien. Ein britischer Canberra-Bomber wird über Syrien abgeschossen. Die russische Flotte fährt durch die Dardanellen ins Mittelmeer. Die vier Meldungen waren jedoch völlig harmlos: Die Düsenjäger über der Türkei waren eine Schwanenschar, die vom Radar erfasst und falsch interpretiert wurde. Die 100 sowjetischen MIGs waren eine deutlich kleinere routinemäßige Begleitung für den syrischen Präsidenten, der von einem Staatsbesuch aus Moskau zurück kam. Die britische Canberra stürzte wegen technischer Fehler ab. Die russische Flotte befand sich auf dem Weg ins Mittelmeer zu einem lange geplanten Manöver.

Am 24.11.1961 fielen mehrere redundante Kommunikationskanäle aus. Daraus konnte nur geschlossen werden, dass bereits ein Angriff lief, weil parallele Fehler ausgeschlossen wurden. Die Leitungen waren jedoch nicht redundant, sondern passierten alle dieselbe Relaisstation, welche defekt war. Flugzeuge klärten die Lage auf.

Am 28.10.1962 gab es während der Türkei-Kuba-Krise zwei unabhängige Fehlmeldungen.

Entscheidungen mit Gruppendynamik

John F. Kennedy konnte sich gegen die Gruppenmeinung seines Stabes durchsetzen. Der war im Begriff, die Lage eskalieren zu lassen, allen voran Curtis E. LeMay. Grund war das am 27.10.1962 über Cuba abgeschossene U2-Spionageflugzeug.

Weltenretter und TOP-Agent „Topas“ Rainer Wolfgang Rupp kämpfte gegen die Gruppenmeinung der Sowjets an, dass die nukleare Kommandostabsübung „Able Archer 83“ vom 11.11.1983 eine Scheinveranstaltung sei. Dazu:

[FilmausschnittRupp]

Entscheidungen mit unklaren Informationen

Der U-Boot-Kommandant in der Türkei-Kuba-Krise, Valentin Savitzki, war willens, am 27.10.1962 die US-amerikanische Atlantikflotte atomar anzugreifen, bis er von Wassilij Alexandrowitsch Archipov, dem U-Boot-Kommodore und Weltenretter, daran gehindert wurde. Dazu:

[TrailerArchipov]

Am 28.10.1962 wies die neue Warnmeldezentrale in Laredo das NORAD darauf hin, dass sie zwei Raketen über Georgia ausgemacht hatten. Das NORAD dachte, der Anruf käme aus Moorestown, weil die dortige Zentrale etabliert und zuverlässiger war und machte sich einsatzbereit. Moorestown stellte derweil keine Bemühungen an einzugreifen oder die Warnung aus Laredo richtigzustellen. Glücklicherweise war die Reaktion wieder langsam genug, um festzustellen, dass kein Angriff stattgefunden hatte. Es stellte sich heraus, dass die Bediener in Laredo einen Satelliten fälschlicherweise für Raketen gehalten hatten.

Entscheidungen mit Fehlinterpretation

Trotz der reichlich bereitgestellten Unterlagen aus dem NATO-Hauptquartier Brüssel bemühte sich der TOP-Agent „Topas“ und Weltenretter Rainer Wolfgang Rupp redlich, gegen die falsche Lageeinschätzung der Sowjets anzukämpfen. Sie meinten, dass die nukleare Kommandostabsübung „Able Archer 83“ vom 11.11.1983 eine Scheinveranstaltung sei. Dazu:

[FilmausschnittRupp]

Auf Hawaii wurde am 13.01.2018 vor einem Angriff durch eine Interkontinentalrakete gewarnt. Im Vorfeld gab es zwischen Nordkorea und den USA gegenseitige atomare Drohungen. Erst als Versehen deklariert, war die Alarmmeldung eine Vorsichtsmaßnahme vor einem zu erwartenden nordkoreanischen Gegenschlag.

Missgeschick

Am 11.03.1958 hat ein B47-Jet der Hunter Air Force Base auf dem Trainingsflug eines Geschwaders nach Europa/England und mit Wasserstoff-Bomben Typ „MK-6“ an Bord, eine „Warnung Bombenverlust“. Es gibt ein Problem mit dem Sicherungsstift. Der Co-Pilot verliert das Gleichgewicht und fällt bei der Fehlersuche auf den Hebel, der die Bombe auslöst. Der Co-Pilot kann sich zurück ins Flugzeug retten. Die Bombe fällt auf das Haus von Walter Gregg, Florence (Mars Bluff)/South Carolina. Der Sprengstoff TNT detoniert. 12 Meter Krater. 6 Verletzte.

Der größte offiziell bekannte Raketenunfall ist die Nedelin-Katastrophe. Am 24. 10.1960 starben nach sowjetischen Angaben 126 Menschen, als auf dem Weltraumbahnhof Baikonur eine militärische Interkontinentalrakete explodierte. Mitrofan Nedelin, der Chef der strategischen Raketentruppen der UdSSR, wollte beim ersten erfolgreichen Start der R-16-Rakete dabei sein. Seine Anwesenheit und Befehle setzten die beteiligten Mitarbeiter unter enormen Zeitdruck und nach einer Reihe von Fehlern kam es zur Explosion, bei der innerhalb von 90 Sekunden 124 Tonnen Treibstoff verbrannten. Die erste Stufe wurde bereits auf der Startrampe abgetrennt und nicht erst in einiger Höhe nach ihrem Ausbrennen.

Am 23.08.1962 befand sich ein US-Bomber in der sowjetischen Flugverbotszone: Zu dieser Zeit waren mit Atomwaffen ausgerüstete amerikanische B-52 Bomber permanent in der Luft, damit die Flugzeuge nicht bei einem Überraschungsangriff am Boden zerstört werden konnten. Russland hatte Abfangbasen mit einem 640 km Radius, die dazu gedacht waren, diese Flugzeuge nicht zu dicht kommen zu lassen. An diesem Tag hatte die Crew in einem der B-52 Bomber einen Navigationsfehler begangen, der sie um 20 Grad vom Kurs abweichen ließ und sie in einen Abstand von unter 500 km zu einer solchen mutmaßlichen Abfangbasis brachte. Es ist unklar, warum die Russen nicht reagierten, aber die USA änderte letztendlich den Kurs dieser Route, um weitere ähnliche Fehler zu vermeiden. Diese Änderung trat allerdings erst nach Ende der Kubakrise in Kraft.

Amerikanische F102A Kampfjets gegen sowjetische MiG Abfangjäger: Es war nicht ungewöhnlich für U-2 Spionageflugzeuge, unabsichtlich in den sowjetischen Luftraum einzudringen. Daher wurden ihnen während der Kubakrise befohlen, sich dem sowjetischen Luftraum nicht auf weniger als 160 km zu nähern, um solche versehentlichen Missgeschicke zu vermeiden. Am Abend des 26.10.1962 bekam jedoch einer der U-2-Piloten Befehl zur Kursänderung und flog daraufhin aus Versehen in den sowjetischen Luftraum. Sowjetische MiG Abfangjäger hoben mit dem Befehl ab, die U-2 abzuschießen. Der US-Pilot bekam den Befehl, so schnell wie möglich nach Alaska zurückzufliegen, aber ihm ging noch über Sibirien der Treibstoff aus. Er setzte einen Notruf ab und F-102A Kampfjets wurden ausgesendet, um seinen Gleitflug zurück auf amerikanischen Boden zu eskortieren. Die F-102A Jets hatten Atomraketen geladen und die Piloten waren angewiesen, nach eigenem Ermessen zu schießen.

Falscher Abschussbefehl für Atomraketen: Der Tag, an dem die Welt (beinahe) unterging: Die Welt ist im Oktober 1962 offenbar knapper einem Atomkrieg entgangen als bisher bekannt. Beinahe hätten US-Soldaten laut dem Bericht eines Zeitzeugen während der Kuba-Krise ihre Atomwaffen abgefeuert. Der Grund: falsche Codes. Angespannt verfolgten die Männer der 498th Tactical Missile Group auf ihrem Stützpunkt auf der japanischen Insel Okinawa die weltpolitische Entwicklung: Wie an jedem Tag empfing die US-Basis auch am 28.10.1962 den täglichen Funkspruch aus ihrem Hauptquartier. Er enthielt die Zeit, Wetterdaten und einen Code. Es war die Aufgabe dieser Männer, den Code eilig mit dem in ihren Unterlagen abzugleichen, um die Gefahrenlage abzuschätzen. Niemals zuvor stand die Welt so nahe vor einem atomaren Krieg wie während der sogenannten Kuba-Krise zwischen dem 14. Oktober und 28. Oktober 1962. Die US-Streitkräfte waren mobilisiert. Seit die USA sowjetische Atomwaffen auf der Karibikinsel Kuba entdeckt hatten, waren in ihren Stützpunkten weltweit Hunderte Atomraketen abschussbereit ausgerichtet auf die Sowjetunion. Mit Wasserstoffbomben ausgerüstete B-52-Bomber kreisten in der Luft, amerikanische U-Boote hatten Position bezogen. Möglicherweise war die Situation damals noch gefährlicher als bislang angenommen: Der ehemalige US-Luftwaffensoldat John Bordne enthüllte jetzt laut einem Bericht des Fachblatts „Bulletin of the Atomic Scientists“ ein mehr als 50 Jahre lang gehütetes Geheimnis. Demnach hätten die auf der Pazifikinsel Okinawa stationierten US-Soldaten beinahe irrtümlich atomar bestückte Marschflugkörper abgeschossen. Befehl zum Angriff: Wie an jedem Tag hatten die Offiziere den empfangenen Code rasch abgeglichen, anders als sonst stimmte er an jenem 28. Oktober wohl tatsächlich mit den Angaben in ihren Unterlagen überein. Es galt, weitere Zeilen zu überprüfen. Auch diese waren identisch. Schließlich gab es noch einen dritten Teil des Codes, der separat aufbewahrt wurde. Stimmte auch dieser überein, bedeutete dies: Abschuss. Sie waren identisch, wie sich John Bordne erinnert. Lediglich sein Vorgesetzter William Bassett habe Zweifel an dem Abschussbefehl gehegt. Normalerweise durften die US-Streitkräfte ihre Atomwaffen nur im Alarmzustand „DEFCON 1“ starten. Dieser bedeutete Krieg. Bis dahin hätte lediglich die schwächere Stufe „DEFCON 2“ gegolten. Offizier Bassett habe sich in seinen Zweifeln bestätigt gefühlt, so berichtet Bordne, als er die Liste der Angriffsziele seiner Mannschaft las. Nur eins lag in der Sowjetunion. Er tauschte sich darüber mit seinen Kollegen aus, die wie er jeweils für vier Marschflugkörper verantwortlich waren. Ein anderer Offizier meldete, dass auch zwei der ihm vorgegebenen Ziele außerhalb der Sowjetunion lagen. Angriff abgeblasen: Bassett habe daraufhin um erneute Übermittlung des Codes gebeten, um einen Fehler auszuschließen. Die erneute Sendung allerdings habe den Angriffsbefehl bestätigt. Unter den Führungsoffizieren spitzte sich die Situation zu. Ein Leutnant hätte sich geweigert, mit dem Abschuss zu warten: Seine vier Angriffsziele befanden sich in der Sowjetunion. Kurzerhand, so sagt es Bordne, habe Basset angeordnet, den Offizier zu erschießen, falls er weiterhin den Abschuss vorbereiten würde. Per Telefon erreichte Bassett danach offenbar den Major, der den Code abgeschickt und damit beinahe einen tödlichen Fehler begangen hätte. Der Angriff wurde abgesagt. Eine Bestätigung für diese Geschichte, so wie sie der Luftwaffensoldat John Bordne 2015 dem Magazin erzählte, gibt es bislang nicht. William Basset selbst ist 2011 gestorben, wie die Website „The Intercept“ meldete. Zwar interviewte laut „Bulletin of the Atomic Scientists“ 2013 ein japanischer Journalist einen weiteren Zeugen, der allerdings anonym bleiben wollte. John Bordne wäre demnach vorerst der einzige aussagewillige Überlebende für die Vorgänge in der Atomwaffenbasis.

In einem sehr brisanten Fall während des Vietnam-Krieges, in dem die USA mehrmals die Unwahrheit behaupteten, stürzte ein Flugzeug am 05.12.1965 mit einer B-43-Wasserstoffbombe vom USS Ticonderoga Im Pazifik nahe Japan ins Meer und sank auf eine Tiefe von etwa 5300 Meter. Die USA erklärten, dass der Unfall 800 Kilometer vom Festland geschehen sei und meinten damit China. Allerdings geschah der Unfall nur 125 Kilometer von der japanischen Inselkette Ryukyu und 320 Kilometer von Okinawa entfernt. Es wurde zudem behauptet, dass das Schiff unterwegs nach Vietnam war, als sich der Unfall ereignete. In Wirklichkeit segelte es nach Japan, das grundsätzlich keine Atomwaffen in seinen Häfen erlaubte. Zudem wurde gefragt, warum beim Vietnam-Krieg Atomwaffen bereitgestellt wurden.

Am 22.02.1970 fiel in Boetingen ein Atomwaffensprengkopf einer Pershing-Rakete während Wartungsarbeiten auf den Boden. Das Areal wurde evakuiert und abgesperrt, der Sprengkopf explodierte jedoch nicht. Der Unfall wurde durch den Fehler eines Arbeiters, der einen Bolzen und Detonationskabel entfernte, ausgelöst. Der Sprengkopf fiel herunter, wurde beschädigt und ein Stück der Raketenspitze brach ab. Der Vorfall wurde zuerst als „gebrochener Pfeil“ eingestuft, später aber auf einen „gebogenen Speer“ herabgestuft.

Ein „Fiasko“ nannten Militärexperten beispielsweise den Fehlalarm, der sich am 20.02.1971 zutrug; eine Blamage war es ganz gewiss. An jenem Morgen hatte der Zivilschutzbeauftragte bei NORAD versehentlich statt des üblichen Testbandes einen falschen Lochstreifen in seinen Fernschreiber eingefüttert. Die Folge: Bei Dutzenden von amerikanischen Rundfunk- und Fernsehstationen unterbrach der Sprecher das Programm und verlas einen vorbereiteten Text: „Dies ist keine Testsendung. Es besteht nationaler Notstand. Stellen Sie bitte Ihr Gerät … für den Empfang einer Botschaft des Präsidenten ein. Dies ist keine Testsendung …“ Beinahe zehn Minuten dauerte es, bis bei NORAD der Fehler bemerkt, fast eine Dreiviertelstunde, bis bei den betreffenden Rundfunkstationen der Alarm wieder zurückgenommen wurde. Besorgniserregend erschien hernach auch die Feststellung, dass die Reaktion der Amerikaner auf den Fehlalarm allen Erwartungen zuwiderlief. Die von der Botschaft erreichten Hörer gerieten nicht in Panik, kaum eine Spur von Erregung und Spannung. Und die meisten der per Telex angeschriebenen Sender hatten noch nicht einmal die NORAD-Meldung zur Kenntnis genommen, sondern fröhlich ihr Programm weiterverbreitet.

Eine Atombombe vom Typ WE 177 fiel 1974 in Laarbruch/Deutschland beim Verladen in ein Flugzeug herunter.

Eine Silo-Explosion am 18.09.1980 tötet zwei Soldaten der Luftwaffe: In einer Anlage zum Abschuss von Atomraketen in Damascus, Arkansas, zeigte eine Warnleuchte an, dass der Druck in einem Oxidatortank der dortigen Titan II-Rakete niedrig war. Dies kam häufiger vor, da leichte Temperaturschwankungen den Druck beeinflussen konnten. Die Airmen David Powell und Jeffrey Plumb reagierten mit einer einfachen Routine-Wartungsmaßnahme. Doch als sie den Druckverschluss mit einem Steckschlüssel abschraubten, fiel der 4 kg schwere Aufsatz herunter. Er fiel 20 m hinunter ins Silo, traf den Treibstofftank und prallte von der Titan II ab. Fast sofort spritzte Treibstoff aus dem Loch heraus. Viele Stunden später explodierte der Treibstoff schließlich und schleuderte den Sprengkopf aus dem Silo. Der Sprengkopf landete 30 m vom Eingang der Anlage entfernt, aber die Sicherheitsvorrichtungen hielten und kein radioaktives Material trat aus. Der Weltenretter Sergeant David Livingstone und sein Kollege wurden durch die Explosion getötet und viele andere wurden verletzt. Dazu:

[TrailerLivingston]

1984 fiel in Bruggen eine Atombombe vom Typ WE 177 beim Verladen in ein Flugzeug herunter. Dies verursachte eine zeitweilige Schließung des Stützpunktes.

Ein menschlicher Fehler verursachte am 30. Juni 1986 einen Unfall an einem unbekannten Ort mit einer Pershing-Rakete. Der Atomsprengkopf fiel von der Rakete auf den Boden.

Am 5. Mai 1987 landete eine Pershing-Rakete nach einem Verkehrsunfall bei Heilbronn in einem Graben.

In der Grafschaft Bentheim nahe der Kreisstadt Nordhorn hat am 01.03.2005 ein Kampfjet der Bundeswehr eine Übungsbombe verloren. Die Bombe schlug nur wenige Meter von einem Haus entfernt auf einer Wiese auf. An der Einschlagstelle entstand ein kleiner Krater. Etwa 60 Meter davon entfernt arbeitete gerade ein Mitarbeiter eines Schweinezuchtbetriebes. Er wurde nicht verletzt, der Bürgermeister Nordhorns, Meinhard Hüsemann, sagte jedoch: „Dem zittern jetzt noch die Knie.“ Tornado No2 (AC) Sqm.jpg. Der Sprecher der Luftwaffe, Hartmut Beilmann, hat mittlerweile zu dem Vorfall Stellung genommen. Er schloss einen Mangel am Tornado aus und führte den Abwurf auf menschliches Versagen zurück. Vermutlich habe der Pilot die Bombe 900 Meter zu früh ausgeklinkt. Das Luftwaffenübungsgelände Nordhorn Range befindet sich in etwa dieser Entfernung zur Stadt Nordhorn. Er bestätigte aber auch, dass es Glück gewesen sei, dass keine Personen getroffen wurden. Fahrlässigkeit oder Vorsatz schloss Beilmann aus, es sei rein menschliches Versagen gewesen. Die Stadt Nordhorn möchte sich mit dieser Erklärung nicht zufriedengeben. Die Lage sei sehr viel ernster. Zudem befindet sich im Abstand von 500 Metern zum Übungsgelände eine Grundschule. Bürgermeister Hüsemann wies darauf hin, welche Folgen der Fehlabwurf hätte haben können. Die Stadt verabschiedete daraufhin eine Protestnote an die Luftwaffe: „Die Unversehrtheit der Menschen in dieser Region darf nicht von einem ‚glücklichen‘ oder ‚unglücklichen‘ Verlauf eines Übungsflugs abhängig sein.“. Da es schon häufiger Zwischenfälle mit Bundeswehrjets gab, wurde in der Protestnote gleichzeitig die Schließung des Luftwaffenübungsgeländes gefordert. Selbstverständlich werde auch eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls vom Dienstag erwartet.

Auf Hawaii wird am 13.01.2018 vor einem Angriff durch eine Interkontinentalrakete gewarnt. Im Vorfeld gab es zwischen Nordkorea und den USA gegenseitige atomare Drohungen. Erst als Versehen deklariert, war die Alarmmeldung eine Vorsichtsmaßnahme vor einem zu erwartenden nordkoreanischen Gegenschlag.

Risikobereitschaft

Als 1949 die USA 5.000 Sprengköpfe, die Sowjetunion aber nur fünf besaßen, schlug der Chef des Strategischen Luftkommandos SAC Curtis E LeMay allen Ernstes vor, auf jede größere Stadt der Sowjetunion zwei Sprengköpfe abzuwerfen, um sich des „Problems Sowjetunion“ zu entledigen. Truman hielt ihn davon ab und McNamara feuerte ihn 1965.

Ähnliche Risikobereitschaft zeigte Douglas McArthur im Koreakrieg am 11.04.1951, als er 49 nordkoreanische Städte plus China atomar vernichten wollte.

Der U-Boot-Kommandant in der Türkei-Kuba-Krise, Valentin Savitzki, war willens, am 27.10.1962 die US-amerikanische Atlantikflotte atomar anzugreifen, bis er von Wassilij Alexandrowitsch Archipov, dem U-Boot-Kommodore und Weltenretter, daran gehindert wurde. Es war auch an der Tagesordnung, dass U2-Spionageflugzeuge tief in den sowjetischen Luftraum eindrangen. Jedoch dies während dieser Krise zu machen, wir sprechen immer noch vom gleichen Tag, zeigt hochriskantes Verhalten. Dazu:

[TrailerArchipov]

Eine weitere Krise, der Jom-Kippur-Krieg am 09.10.1973, wäre ebenfalls beinahe zum Ausgangspunkt eines kritischen nuklearen Ereignisses geworden, basierend auf zu hoher Risikobereitschaft.

Der folgenschwerste Vorfall ereignete sich auf See, als ein US-U-boot und ein sowjetisches U-boot „Katz und Maus“ spielten. Es kam zur Kollision. Raketensilos brannten. Es musste mit einer nuklearen Kettenreaktion gerechnet werden. Das brennende U-boot musste auftauchen und die Klappen öffnen, wobei dies als Abschussbereitschaft gewertet werden konnte. Es musste am 03.10.1986 eine Kernschmelze des Antriebsreaktors verhindert und das U-boot aufgegeben werden. sieben Matrosen kamen um, unter ihnen der Weltenretter Sergeij Anatoljewitsch Preminin. Dazu:

[Trailer Preminin]

Von Luftfahrtunfällen ist bekannt, dass Frauen anders reagieren als Männer. Ihnen fehlt der sogenannte „Mannesmut“, d.h. sie steuern sofort einen alternativen Flughafen an und verzichten auf die drei missglückten Landeversuche ihrer männlichen Kollegen. Bei entsprechender weiblicher Besetzung an entscheidenden Stellen, z.B. in der operativen Entscheidung und an Frühwarn- und Entscheidungssystemen wäre es möglich, diesen menschlichen Fehler bei Atomwaffen zu reduzieren. Das würde aber nur dann funktionieren, wenn der Typ „Pilotin ohne Mannesmut“ genau mit dem militärischen Rekrutierungsbild von „Frauen an Atomwaffen“ übereinstimmt. Dazu:

[FlugUnfaelle S.34f]

Schlamperei

Während der Kubakrise rechneten die US-Militärplaner damit, dass einem nuklearen Erstschlag der Sowjetunion Sabotageaktionen vorausgehen könnten. Gegen Mitternacht am 25.10.1962 sah ein Wachmann im Duluth Sector Direction Center eine Gestalt, die über den Sicherheitszaun kletterte. Er schoss auf sie und aktivierte den Sabotagealarm, der automatisch ähnliche Alarme auf anderen Stützpunkten in der Region auslöste. In Volk Field in Wisconsin löste ein fehlerhaftes Alarmsystem stattdessen den Klaxon aus, der die atomar bewaffneten F-106A-Abfangjäger des Air Defense Command (ADC) in die Luft befahl. Den Piloten war gesagt worden, dass es keine Alarmübungen geben würde, und sie glaubten laut dem Politikwissenschaftler Scott D. Sagan „fest daran, dass ein Atomkrieg beginnt“. Bevor die Flugzeuge abheben konnten, kontaktierte der Kommandant des Stützpunkts Duluth und erfuhr von dem Fehler. Der diensthabende Offizier und Weltenretter N.N. in der Kommandozentrale in Volk Field fuhr mit seinem Auto auf die Startbahn, gab Lichtzeichen und signalisierte den Flugzeugen anzuhalten. Denn Volk Field hatte keinen Tower. Der Eindringling entpuppte sich als ein Bär. Sagan schreibt, dass der Vorfall die gefährliche Möglichkeit aufwarf, dass ein Abfangjäger des ADC versehentlich einen Bomber des Strategic Air Command (SAC) abschießt. Die Abfangjägerbesatzungen waren vom SAC nicht vollständig über die Pläne zur Verlegung von Bombern zu Verteilungsbasen (wie Volk Field) oder die geheimen Routen, die von Bombern in ständiger Alarmbereitschaft als Teil der Operation Chrome Dome geflogen wurden, informiert worden. Deklassierte ADC-Dokumente enthüllten später, dass „der Vorfall zu Änderungen im Alarm-Klaxon-System führte […], um eine Wiederholung zu verhindern“. Dazu:

[FilmausschnittNN]

Leicht zugängliche Codes am 26.10.1962: Durch die Eskalation der Kubakrise waren die Atomstreitkräfte in hoher Alarmbereitschaft. Deshalb wurden die Arbeiten an der Malmstrom Air Force Base beschleunigt, um die Minuteman-1 Raketen für ihre volle Einsatzbereitschaft vorzubereiten. In der Eile wurden ordnungsgemäße Übergabeprozeduren und Sicherheitsüberprüfungen übersprungen. Dadurch waren ein Silo und eine Rakete einsatzbereit, ohne dass bewaffnete Wachen ihren Transport in getrennte Lager begleiten konnten. Das gesamte Abschussequipment und die Abschusscodes wurden zusammen in dem Silo gelagert, sodass eine einzelne Person eine vollbewaffnete Rakete hätte starten können. Während der gesamten Krise wurden die Raketen in dieser Basis ständig in und aus der Alarmbereitschaft versetzt, da immer wieder Probleme gefunden wurden. Bei der zu dieser Zeit vorherrschenden Spannung ist es ein Glück, dass nichts Ernsteres passiert ist.

Wie riskant die Einsätze sind, zeigt sich 1968 auf Grönland. Dort unterhalten die Amerikaner eine Frühwarnstation, die sowjetische Raketen melden soll. Am 21.01.1968 stürzt ein B-52 Bomber in der Nähe des Stützpunktes ab. An Bord: vier Wasserstoff-Bomben. Der Däne Jens Zinglersen, der als Logistiker auf der Airbase arbeitet: „Ich liebe die Arktis. Doch dann sah ich plötzlich einen brennenden Streifen auf Augenhöhe vorbeifliegen. Ein riesiges Feuer flackerte auf, brannte dann lichterloh. Ich hatte sowas noch nie gesehen.“ Sofort nimmt Zinglersen Kontakt mit dem Kommandanten der Airbase auf. Der Kommandant sagte, eine B-52 mit 4 Kernwaffen ist abgestürzt. Zinglersen ruft sechs Inuits zu Hilfe und versucht, mit Hundeschlitten zur Absturzstelle vorzudringen. Nach acht Stunden Fahrt im Eis erreichen sie den Ort, an dem der Bomber niederging. (Zinglesen):„Plötzlich sah ich einen schwarzen Fleck und ich roch Kerosin. Wir packten unseren Schlitten und gingen zur Absturzstelle. Die war 800 Meter lang und 250 Meter breit und komplett schwarz.“ Zinglersen schlägt sich in der arktischen Nacht zurück zur Airbase durch. Er erstattet Meldung. Doch ihn erwartet eine unangenehme Überraschung. (Zinglersen): „Ich wurde in einen Raum geführt, in dem ein 2-Sterne-General saß. Der hatte eine herrische Art. Ich erzählte ihm, was ich gesehen hatte. Da blickte er mich mit seinen stählernen, blauen Augen an und sagte arrogant: „Ich glaube Deine Scheiß-Geschichte nicht.“. Das hat mich ganz schön genervt. Dann kam ein junger Hauptmann, der hatte ein Messgerät in der Hand. Er sagte: „Sir, darf ich mal Ihre Stiefel prüfen?“. Also zeigte ich ihm meine Stiefel. Und das Gerät zeigte einen Wert an. Da drehte er sich zum General um und rief ihm zu: „Es stimmt, er war dort draußen.“ Der General befiehlt, das Eis am Absturzort abzutragen. Es ist vom Plutonium verseucht, das aus den vier Bomben stammt. Die Sprengkörper waren beim Aufprall pulverisiert worden. Die dänischen Hilfsarbeiter werden der Strahlung ausgesetzt, ohne Atemschutz. Bis heute versuchen sie, eine Abfindung für Gesundheitsschäden zu bekommen. Vergeblich! Doch die Bomberbereitschaft der USA wird nach dem Absturz der B-52 für immer eingestellt. Stattdessen richten die Amerikaner unzählige Atomraketen aller Reichweiten auf den Ostblock. Dazu:

[TrailerGroenland]

Am 09.11.1979 leuchteten um 8:50 Uhr auf den Radarschirmen des NORAD (North American Aerospace Defense Command) hunderte von Pünktchen auf, die sich über den Nordpol den USA näherten. Der Offizier vom Dienst des Luftverteidigungskommandos und Weltenretter Bruce Kilroy Brown hat genau drei Minuten Zeit, um sich seine Wahrnehmung bestätigen zu lassen. Radarstationen wurden angewählt, die hatten keine Raketen ausgemacht. Sollte die Lage weiter unklar bleiben, würde das Pentagon in 30 Sekunden eine Raketenangriffs-Konferenz einberufen. Auf dem Airforce-Stützpunkt Andrews nahe Washington D.C. rollte die Kommando-Maschine des Präsidenten zur Startbahn. Im ganzen Land wurden B52 Bomber mit Kernwaffen beladen und startklar gemacht. Kampfflugzeuge flogen bereits Sofort-Einsätze, um feindliche Bomber abzufangen. Es sah aus, als habe der Dritte Weltkrieg begonnen. Tief im Cheyenne-Gebirge bei Colorado Springs befindet sich das größte Computersystem der Welt. Seine Aufgabe ist es, anfliegende Raketen aufzuspüren und dem Präsidenten genügend Vorwarnzeit zu geben, um einen Gegenangriff zu starten. Diese Strategie nennt man „Angriff nach Warnung / LOW Launch on Warning“. „Angriff nach Warnung“ bedeutet die Feststellung des Raketenangriffs drei bis vier Minuten nach Angriffsbeginn. Nach vier bis fünf Minuten, maximal zehn Minuten, muss der Präsident eine Entscheidung getroffen haben. Dann sind weitere fünf Minuten erforderlich, um zurückzuschlagen. Es ist ein eng bemessener Zeitraum, der keine Fehler zulässt. Und nur wenig Zeit für rationales Denken. Die politische Entscheidungsgewalt hat sich einer Maschine unterworfen. An jenem Tag in Colorado entschied die Technik über das Schicksal der Menschheit. Eine Radarstation nach der anderen meldete sich – keine hatte anfliegende Raketen entdeckt. Das raffinierteste Computersystem der Welt hatte einen falschen Alarm ausgelöst. Das Pentagon erkannte den Fehler rechtzeitig. Der fliegende Kommandoposten des Präsidenten rollte in den Hangar zurück. Den Mann, der für Amerika’s Kernwaffen verantwortlich war, Präsident Jimmy Carter, hatte man übrigens nicht benachrichtigt. Wäre das geschehen, hätte er genau fünf Minuten gehabt, um zu entscheiden, ob er auf den Knopf drücken soll oder nicht. Die Airforce beeilte sich, ihren Fehler zu vertuschen. Das nordamerikanische Luftverteidigungskommando bildete gerade neue Leute an den Radaranlagen aus. Auf dem Programm stand das Erkennen von Raketenangriffen. Aber niemand brachte die Übungskassette zum Laufen. Das Hauptquartier schlug auf Nachfrage vor, das „J-Band“ zu benutzen. Das „J-Band“ täuschte einen massiven Atombombenangriff auf die Vereinigten Staaten vor. Schlimmer noch! Der Computer bestätigte die Echtheit des Vorgangs. Als das Pentagon erfuhr, dass eine Simulationskassette beinahe die Ursache für eine globale Katastrophe gewesen wäre, wollte man diese Peinlichkeit herunterspielen. Aber, als der Alarm ausgelöst wurde, hatte das Pentagon die wichtigsten Flughäfen angewiesen, den Luftraum freizuhalten. Auf dem Flughafen von Dallas war zu dieser Zeit zufällig ein Reporter im Tower und hörte alles mit. Als nächstes wies das Pentagon dem Mann die Schuld zu, der die Übungskassette eingelegt hatte. Aber der war nur ein stellvertretender Sündenbock. Die Diensthabenden hätten erkennen müssen, dass das Ganze nicht stimmte. Ein Angriff dieses Umfangs wäre normalerweise von der Bodenstation entdeckt worden, die den Satelliten steuerte, von dem die Warnung ausging. Das Trainingsprogramm wurde schnell an einen anderen Ort verlegt. Die angekratzte Glaubwürdigkeit Amerikas zu reparieren, dauerte etwas länger. Als der Verteidigungsminister und der Vorsitzende des Stabes in Brüssel auf einem Ministertreffen der NATO weilten, sagte der Vertreter eines anderen Landes in etwa: „Wenn es so aussieht unter dem atomaren Schutzschirm Amerikas zu stehen, dann sollten wir das lieber selbst in die Hand nehmen. Denn die Gefahr, dass die Sowjets aus heiterem Himmel angreifen, ist weitaus geringer, als dass ihr Cowboys aus Versehen eine Katastrophe auslöst.“ Dazu:

[FilmausschnittBrown]

Auf einer Gefällestrecke in Waldprechtsweier bei Karlsruhe versagen am 02.11.1982 einem US-amerikanischen Raketentransporter die Bremsen, worauf er in den Ort Waldprechtsweier rast, mehrere Autos zerquetscht und einen Autofahrer tötet. Vor der Bergung der Wrackteile wird der ganze Ort evakuiert, weil man befürchtet, dass die Rakete explodieren könnte. Auf ansonsten menschenleeren Straßen patrouilliert die Polizei. Nach stundenlangen Aufräumarbeiten verlässt am Nachmittag des 03.11.1982 ein US-Konvoi mit den Wracks von Militärfahrzeugen und Raketenteilen den Ort. Das Unglück verstärkt die Ängste vor der „Nachrüstung“ mit Raketen des Typs Pershing 2, denn bei der Rakete handelt es sich um den Vorläufertyp Pershing 1a, der ebenfalls als atomare Trägerwaffe konzipiert ist, die Sprengköpfe aber nur bis zu 750 Kilometer weit befördern kann. Eine Foto-Montage zeigt links den evakuierten Ort Waldprechtsweier mit der Spitze des Militärkonvois, der die Wrackteile abtransportiert. Deutlich ist auf einem der Fahrzeuge der Container für den atomaren Raketen-Sprengkopf zu sehen. Daneben ein beschädigtes Haus, an dem der Raketentransporter vorbeigeschrammt war. Rechts zwei Aufnahmen von einer Protestdemonstration, an der sich drei Tage später im benachbarten Ettlingen rund tausend Menschen beteiligen. Schon am Vortag fand aus demselben Anlass in Karlsruhe eine Kundgebung mit rund 2000 Teilnehmern statt.

Sechs fehlgeleitete Atomraketen: Sechs mit Atomsprengköpfen ausgestattete Marschflugkörper wurden am 29.08.2007 in der Minot Air Force Base in North Dakota irrtümlich in einen B-52 Bomber geladen. Die Crew hätte mehrmals kontrollieren sollen, dass die Marschflugkörper nicht gerüstet sind, aber niemand befolgte das vorgegebene Protokoll zur Überprüfung auf aktive Waffen. Das Flugzeug stand über Nacht unbewacht auf dem Rollfeld in Minot. Es flog dann ca. 2500 km zu einer Basis in Louisiana, wo es für weitere neun Stunden unbewacht war, bis eine Wartungscrew dort bemerkte, dass die Waffen aktiv waren. Insgesamt 36 Stunden lang bemerkte niemand in der Air Force, dass sechs aktive Atomwaffen verschwunden waren (Schlosser 2013, p. 473). Als Reaktion auf den Vorfall sagte Air Force-General a.D. Eugene Habinger, Kommandant des U.S. Strategic Command von 1996-1998: „Ich arbeite seit 1966 im nuklearen Bereich und ich kenne keinen beunruhigenderen Vorfall“ (Warrick, Pincus 2007).

Summary

Tabelle für Gründe für unbeabsichtigte Atomkriege 1949 - Juli 2022

Bei den menschlichen Fehlern rangiert das Missgeschick (14x) vor Entscheidungsfehlern (7x), Risikobereitschaft (6x) und Schlamperei (6x). Dem Menschen werden weiterhin Missgeschicke (14x) passieren, er wird Fehler in der Kommunikation (2x) und bei der Entscheidungsfindung (7x) machen, er wird sich nicht zu 100 % an Routinen (6x) halten, also schlampig (6x) arbeiten, er wird manchmal zu risikobereit (6x) sein und er wird anfällig sein für gesundheitliche Probleme (4x). Allenfalls kann durch Einsatz von weiblichem Personal die Risikobereitschaft (6x) etwas gesenkt werden, weil damit dem sogenannten „Mannesmut“ vorgebeugt werden kann. Das würde aber nur dann funktionieren, wenn der Typ „Pilotin ohne Mannesmut“ genau mit dem militärischen Rekrutierungsbild von „Frauen an Atomwaffen“ übereinstimmt. Den „perfekten Menschen“ aber wird es auch in Zukunft nicht geben. Warum der Mensch nicht durch Künstliche Intelligenz (K.I.) ersetzt werden kann und warum K.I. vor allem nicht bei Atomwaffen entscheiden sollte, wird in einem späteren Aufsatz behandelt. Technische (42x) und menschliche Fehler (39x) halten sich wie man sieht in etwa die Waage.

Fazit

In den vergangenen 80 Jahren waren in der Literatur mindestens 80 besorgniserregende Vorfälle zu finden, meist in den USA geschehen. Wenn eine Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis dauerhaft größer Null ist, wird dieses Ereignis mit Sicherheit eintreten, irgendwann.

Deshalb muss das Risiko des Atomkrieges-aus-Versehen idealerweise auf Null gebracht werden. Es gilt also, Missverständnisse auszuschließen und technische und menschliche Fehler zu minimieren bzw. über diese sofort zu kommunizieren. Eine große Rolle spielt dabei ein gemeinsames, internationales Frühwarn- und Entscheidungszentrum. Im Zentrum wird Kommunikation nach aktuellem Stand der Wissenschaft und Technik umgesetzt. So zum Beispiel maximaler Datenaustausch in Echtzeit. Das Zentrum fördert durch die Kooperation das gegenseitige Vertrauen. Vertrauen ist Vorbedingung für den Frieden.

Launch Control Officer

Atomwaffen und ihre Peripherie stellen das größte globale Sicherheitsrisiko aller Zeiten dar. Sie sind praktisch unbeherrschbar und militärisch sinnlos, da sie das Kriegsgeschehen sicher eskalieren lassen. Die Atomwaffentechnik befindet sich in einer Sackgasse, aus der sie nicht entkommen kann. Eine sofortige, weltweite Abrüstung und Vernichtung der Waffen wäre die logische Konsequenz.


Literaturverzeichnis

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[GEOVersagenFehler96]Romberg, J. (1996). Menschliches Versagen – Warum wir alle Fehler machen. S. 8-27. Geo Das neue Bild der Erde. Nr 2 Februar 1996. Verlag: Gruner + Jahr.   
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[Schie2kurz]Schierhorn, U.W. (2021): „Fehlalarme, Unfälle und Beinahe-Katastrophen mit Atomwaffen“  /   „False alarms, accidents and near-disasters involving nuclear weapons“. Artikel. Kurzversion: https://www.fwes.info/fubk-21-1-SHORT-de.pdf   /   https://www.fwes.info/fubk-21-1-SHORT-en.pdf    
[Schie2lang]Schierhorn, U.W. (2021): „Fehlalarme, Unfälle und Beinahe-Katastrophen mit Atomwaffen“  /  „False alarms, accidents and near-disasters involving nuclear weapons“. Artikel. Langversion: https://www.fwes.info/fubk-21-1-LONG-de.pdf   /  https://www.fwes.info/fubk-21-1-LONG-en.pdf   
[Schie2druck]Schierhorn, U.W. (2021): „Fehlalarme, Unfälle und Beinahe-Katastrophen mit Atomwaffen“  /   „False alarms, accidents and near-disasters involving nuclear weapons“. Artikel. Druckversion (1 Blatt kompakt): https://www.fwes.info/fubk-21-1-FOUR-PAGES-de.pdf   /   https://www.fwes.info/fubk-21-1-FOUR-PAGES-en.pdf   
[Schie3Senk]Schierhorn, U.W. (2023). „Mögliche Maßnahmen zur Reduzierung des Atomkriegsrisikos – Vorschläge“   /   „Possible actions to reduce the risk of nuclear war  –  suggestions“.  https://atomkrieg-aus-versehen.de/massnahmen-vorschlaege/   /  https://atomkrieg-aus-versehen.de/en/massnahmen-vorschlaege/  
[B2]Bläsius, K.H. (2023). Atomkrieg aus Versehen?. Vortrag. OK54 Bürgerrundfunk. https://ok54.de/archiv/9051
[FilmausschnittRupp]Sequence RUPP from „Deutschland 83“ GERMAN: https://odysee.com/@BassAzubi2:c/Filmausschnitt_Rupp:9  / „Deutschland 83“ Trailer GERMAN: https://www.youtube.com/watch?v=dvZyUlD7Yq0  „Deutschland 83“ Trailer ENGLISH:   https://www.youtube.com/watch?v=Eb0yFr2jVAU     
[TrailerLivingston]Trailer LIVINGSTON ENGLISH    https://www.youtube.com/watch?v=PjSZuvfG0OE     Official Theatrical Trailer – „Command and Control“ ENGLISH:        https://www.youtube.com/watch?v=LXPrJcFmqKg     „Der Beinahe-GAU von Arkansas“ Movie GERMAN:  https://www.arte.tv/de/videos/093660-000-A/der-beinahe-gau-von-arkansas/    
[TrailerArchipov]Trailer ARCHIPOV GERMAN:    https://www.youtube.com/watch?v=jg7M4ch7qmA    Movie „Der Mann der die Welt rettete – Das Geheimnis der Kuba-Krise“ GERMAN:    https://www.youtube.com/watch?v=mfq-T5KTw-E  Movie „Vasili Arkhipov: Hero“ ENGLISH  https://www.youtube.com/watch?v=NwnPo_A9LJA    
[TrailerPreminin]Trailer PREMININ „Hostile Waters 1997“ ENGLISH             https://www.youtube.com/watch?v=XEcq8XdblwM   https://www.dailymotion.com/video/x7xedc0    Movie „HOSTILE WATERS – Im Fahrwasser des Todes – Ein U-Boot-Thriller“ GERMAN      https://www.youtube.com/watch?v=4e_YMSxqI-I    ENGLISH:   https://www.youtube.com/watch?v=whkH_GyJGR0    
[FilmausschnittNN]Sequence NN from „Am Rande des Atomkrieges“ GERMAN:   https://www.youtube.com/watch?v=5W4xWdjziHw    Movie „Am Rande des Atomkrieges“ GERMAN:   https://www.youtube.com/watch?v=R7CN72PLZxc   &  https://www.youtube.com/watch?v=blsp75yNDUU    Movie „Doomsday At the Brink“ ENGLISH:  https://www.dailymotion.com/video/x8pq6bi       
[TrailerGroenland]Trailer „The Idealist – Geheimakte Grönland“   GERMAN:  https://www.youtube.com/watch?v=VcFZEQ-A0AA   https://www.youtube.com/watch?v=oqgo2sCFJOU  Movie GERMAN:  https://www.youtube.com/watch?v=zhkYdWKVKfI   Movie „The Idealist – Secret Files in Greenland“ ENGLISH:  https://www.youtube.com/watch?v=jgXBcrOt_rI    
[FilmausschnittBrown]Sequence BROWN from „Am Rande des Atomkrieges“ GERMAN:   https://www.youtube.com/watch?v=tZLxtaDYyvc        Movie „Doomsday At the Brink“ ENGLISH:  https://www.dailymotion.com/video/x8pq6bi   

Die Aufsatzreihe handelt von 7 Weltenrettern, menschlichen Fehlern, technischen Fehlern, risikoerhöhenden Ursachen, risikosenkenden Maßnahmen sowie K.I. (Künstlicher Intelligenz) im Zusammenhang mit Atomwaffen.

Anmerkung der Redaktion: Der Autor ist Mitglied des Landesvorstands NRW (Säule Machtbegrenzung) und Mitglied der AG Frieden Bund. Er bietet auf Anfrage Vorträge zum Thema Weltenretter an.

 

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