von dieBasis-Mitglied Christina Kade
Am 20. April 2022 hat ein englisches Gericht in London die Auslieferung von Julian Assange an die USA genehmigt, wo dem Wiki-Leaks-Gründer eine Haftstrafe von bis zu 175 Jahren droht. (1) Das letzte Wort in dieser Angelegenheit hat dabei die britische Innenministerin Priti Patel. Ausgehend von diesem Tag bleiben Assanges Anwälten vier Wochen um eine Stellungnahme einzureichen und die Auslieferung doch noch abzuwenden.
Obwohl die Anwälte bereits einen Einspruch angekündigt haben, dürften die Chancen gering sein, eine Auslieferung tatsächlich noch verhindern zu können. Seit dem „Brexit“ sind die USA und Großbritannien sich wieder deutlich näher gekommen, und es steht zu vermuten, dass hier eine „diplomatische Lösung“ gefunden werden soll.
Anders lässt sich der Umgang mit Julian Assange durch die britischen Behörden nur schwer erklären.
Insgesamt kann man resümieren, dass die Kontroverse um Assange 2010 mit den Wiki-Leaks-Enthüllungen über die Kriege begonnen hat, die von den USA im Irak und in Afghanistan geführt wurden.
Insbesondere in den USA gab es starke Kritik, die übergreifend von Medien, Militär und Politik laut wurde. (2) So wurde offen die Hinrichtung des Journalisten gefordert oder – etwas versteckter – ein Anschlag mithilfe einer Drohne bzw. eine illegale Erschießung.
Sarah Palin ging so weit, den Wiki-Leaks-Gründer auf eine Stufe mit Terroristen zu stellen indem sie forderte, man solle ihn mit demselben Nachdruck verfolgen, wie deren Anführer.
Ebenfalls im Jahr 2010 sah sich Assange in Schweden mit dem Vorwurf der Vergewaltigung konfrontiert. Mit Erlaubnis der Behörden reiste er nach Großbritannien aus. Nachdem am 1. Dezember bekannt wurde, dass Assange von Interpol per internationalem Haftbefehl gesucht wird, stellte er sich den Behörden und wurde zunächst inhaftiert, später jedoch gegen Kaution freigelassen, musste allerdings dem Tragen einer Fußfessel zustimmen. (3)
Schweden stellte einen Auslieferungsantrag, dessen Verhandlung mehrfach vertagt und von Assange angefochten wurde, sodass sich das Urteil bis in die Mitte des Jahres 2012 hinauszögerte. Aus Angst, von Schweden an die USA ausgeliefert zu werden, entledigte er sich am 19. Juni 2012 seiner Fußfessel und flüchtete in die ecuadorianische Botschaft, wo er um Asyl bat.
Da er damit gegen seine Kautionsauflagen verstieß, kündigten die englischen Behörden an ihn zu verhaften, sobald er die Botschaft verlassen würde. Unter diesen Umständen blieb ihm nur der Aufenthalt in der Botschaft, der für ihn einem Gefängnisaufenthalt gleichkam, wie er später erklärte.
Allerdings gelang es ihm auch unter diesen Bedingungen im Jahr 2016, Dokumente zu veröffentlichen, die einen Einblick in die Aktivitäten des CIA zuließen. Später wurde ihm der Internetzugang entzogen, weil sein Engagement die diplomatischen Beziehungen zu anderen Staaten belasten könnte.
Die zwischenzeitlich gewährte ecuadorianische Staatsbürgerschaft entzog man ihm im März 2018 – nach einem Regierungswechsel. Schließlich verhaftete ihn die britische Polizei am 11. April 2019 in der Botschaft.
Das einzige Vergehen, das ihm vorgeworfen werden konnte war der Verstoß gegen seine Kautionsauflagen. Er wurde zu der ungewöhnlich hohen Strafe von 50 Wochen Gefängnis verurteilt, die er in Belmarsh unter sehr widrigen Bedingungen verbüßen musste.
Auch nachdem er seine Strafe abgesessen hatte blieb Assange in Haft, da die USA bereits 2017 ein Auslieferungsgesuch gestellt hatten und dessen Verfahren noch anhängig war. Sie forderten schon eine Stunde nach der Verhaftung seine Überstellung. Noch im Mai 2019 erweiterten die Vereinigten Staaten die Anklagepunkte gegen Assange, der nun auch nach dem umstrittenen Spionagegesetz von 1917 verurteilt werden sollte – zu bis zu 175 Jahren Haft.
Wie grotesk der Umgang mit Assange ist sieht man schon daran, dass Belmarsh ein britisches Hochsicherheitsgefängnis ist, in dem normalerweise nur Häftlinge untergebracht sind, die von den Behörden als besonders gefährlich eingestuft werden. Es gilt als britische Version von Guantánamo Bay. (4)
Die Vorgehensweise erscheint schlicht willkürlich. Bereits 2019 wurde das Verfahren gegen Assange in Schweden eingestellt. Dieses Verfahren war der ursprüngliche Grund für den internationalen Haftbefehl, der zu seiner Verhaftung, der späteren Freilassung gegen Kaution und damit auch zum Verstoß gegen die entsprechenden Auflagen geführt hatte. Ein anhängiges Auslieferungsverfahren kann wohl kaum als Grundlage für eine solche Behandlung dienen.
Julian Assange kann ohne weiteres als politischer Gefangener bezeichnet werden, dessen eigentliches Verbrechen darin besteht, die Wahrheit aufgedeckt und sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Dass die USA das Auslieferungsgesuch sowie die Anklagen auch unter der Administration von Joe Biden aufrecht erhalten, lässt tief blicken.
Der Sonderberichterstatter der UN für Folter, Nils Melzer, hatte Assange bereits 2019 in Belmarsh besucht und die Haftbedingungen stark kritisiert. In einem Interview mit der deutschen Welle vom 25.06.2020 beklagte er eine „weltweite Erosion der Menschenrechte“ und ging unter anderem auf die Umstände in Belmarsh und den Umgang mit Assange ein. (5) Er kritisierte außerdem den Druck, der von den USA auf Mitarbeiter des internationalen Gerichtshofes in Den Haag ausgeübt wurde, um die eigenen Soldaten vor Anklagen zu schützen.
Dieses Vorgehen entspricht dem unrühmlichen Umgang der Vereinigten Staaten mit Journalisten wie Assange oder Whistleblowern wie Edward Snowden, der wohl aus gutem Grund Moskau für sein Exil gewählt hat. (6) Dass Privatsphäre, aber auch Diplomatie für amerikanische Geheimdienste eine untergeordnete Rolle spielen, war ja bereits bekannt und wurde nach der Verhaftung Assanges bestätigt, als herauskam, dass man die Sicherheitskameras in der ecuadorianischen Botschaft während Assanges Aufenthalt „angezapft“ hatte.
Nils Melzer kritisierte im Übrigen auch die britische Justiz für den Umgang und das Verfahren im Fall Julian Assange. „Der Rechtsstaat werde in diesem Fall schlicht ausgehebelt“, erklärte er im Interview mit der deutschen Welle. Weiterhin sprach er von psychischer Folter.
Schon im Jahr 2019 hatte Nils Melzer konstatiert, dass auch die deutsche Regierung kein Interesse am Fall Assange zeigen würde. Eine Anhörung, die im November 2019 im deutschen Bundestag stattfand zeigte das sichtbare Desinteresse, als man einen Tag zuvor zugeben musste, keinen der Berichte Melzers gelesen zu haben.(7)
Obwohl Julian Assange mit zahlreichen Preisen wie dem Amnesty International Media Award oder dem Stuttgarter Friedenspreis bedacht wurde gibt es gerade von offizieller Seite deutlich erkennbar kein Interesse, seine Lage zu verbessern oder eine Auslieferung in die USA zu verhindern. Selbst der „Wallraff-Appell“, dem sich unter anderem zehn ehemalige Minister anschlossen, vermochte hier kein Umdenken zu bewirken. In einem, ebenfalls vom Schriftsteller, initiierten Brief wurde die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel aufgefordert, mit Joe Biden bei seinem Besuch am 15. Juli 2021 über das Thema zu diskutieren, um ihn dazu zu bewegen die Anklage der Vorgängerregierung unter Donald Trump fallen zu lassen.
Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass Julian Assange unübersehbar einen empfindlichen Nerv getroffen hat, und dass das Interesse von Regierungen an der Pressefreiheit eine eher untergeordnete Rolle zu spielen scheint. Das zeigt nicht nur das Interview mit Nils Melzer. 2021 kritisierte der UN-Sonderberichterstatter übrigens die Bundesregierung und diagnostizierte ein Systemversagen im Bezug auf die Polizeigewalt in Deutschland. (8)
Gerade die Corona-Pandemie hat weiter zu einer Erosion der Presse- und Meinungsfreiheit beigetragen. Das wurde auch von Amnesty International bestätigt. (9) Allerdings zielt der Bericht in eine ganz andere Richtung, obwohl zumindest China Bestandteil der kritischen Begutachtung ist. Dass beim Thema Corona ganz andere Maßstäbe angelegt werden wird auch deutlich, wenn man sieht, wie sehr sich die EU einsetzt, um angebliche Falschinformationen zu bekämpfen.(10)
Social-Media-Plattformen werden unter Druck gesetzt und ändern oder erweitern in beunruhigend kurzen Abständen ihre Richtlinien, um „Falschinformationen“ vorzubeugen, und das selbst dann noch, wenn diese sich als wahr herausgestellt haben. Man übernimmt die Deutungshoheit über ein Thema und lässt keine zweite Meinung zu. Anschließend überlässt man es global operierenden Konzernen, die Zensur auszuüben.
Kein Wunder also, dass die Medien eher einheitlich berichten und Kritik nie bis zum Kern des Problems vordringt. Augenscheinlich traut sich kaum ein Journalist mehr, die wirklich wichtigen Fragen zu stellen.
Auch deshalb sind Fälle wie der von Julian Assange so wichtig, und wir müssen der Verfolgung von investigativen Journalisten Einhalt gebieten.
„Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.“
George Orwell
Wenn wir also die nach Artikel 5 des Grundgesetzes verankerte Meinungs- oder Pressefreiheit beschneiden oder hinnehmen, dass diese eingeschränkt wird, verlieren auch wir ein Stück Freiheit. Die Freiheit, selbst zu entscheiden, wo und wie wir uns informieren können und wollen.
Gerade in der aktuellen Lage, in der sich Europa befindet, kommt freien und unabhängigen Medien eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe zu. Es heißt, dass erste Opfer im Krieg sei immer die Wahrheit, und dennoch lassen wir uns von den Medien dazu drängen, uns in einen seit Jahren schwelenden Konflikt einzumischen. Julian Assange soll einmal gesagt haben, dass jeder Krieg der letzten 50 Jahre das Produkt von Medienpropaganda gewesen ist, und das wir eine friedliche Welt errichten könnten, wenn die Medien gute Arbeit leisten würden.
Wenn die Medien gute Arbeit leisten würden, dann wäre der Druck auf die Regierungen so hoch, dass nie wieder ein Journalist Angst haben müsste, sich eines Themas anzunehmen und investigativ darüber zu berichten. Die Medien könnten erheblich dazu beitragen, dass die USA die Anklage gegen Julian Assange fallenlassen und er seine Freiheit zurückerlangt.
Die Basisdemokratische Partei Deutschland verlangt, dass die Regierung sich zum Artikel 5 des Grundgesetzes bekennt. Deshalb fordern wir von der Partei dieBasis die Politik und die Medien dazu auf, sich für Julian Assange einzusetzen und den Druck auf die entsprechenden Behörden zu erhöhen. Der Grund für die Inhaftierung von Julian Assange ist die Offenlegung der Wahrheit. Journalismus ist kein Verbrechen. Darüber hinaus sind die Haftbedingungen unzumutbar und verstoßen gegen Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Es ist also unsere Pflicht zu handeln, denn in den USA werden die Haftbedingungen sich sehr wahrscheinlich verschärfen. Deutschland muss ein deutliches Zeichen für Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit, aber auch für die unantastbare Menschenwürde setzen und sich für die sofortige Freilassung von Julian Assange verwenden, für die im Januar 2020 bereits die Parlamentarische Versammlung des Europarates gestimmt hatte.
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- https://www.tagesschau.de/ausland/assange-auslieferung-115.html
- https://de.wikipedia.org/wiki/Julian_Assange#Reaktionen
- https://de.wikipedia.org/wiki/Julian_Assange#Vergewaltigungsvorwurf_in_Schweden_und_internationaler_Haftbefehl
- https://de.wikipedia.org/wiki/HMP_Belmarsh
- https://www.dw.com/de/nils-melzer-weltweite-erosion-der-menschenrechte/a-53940890
- https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_Snowden
- https://de.wikipedia.org/wiki/Julian_Assange#Stellungnahmen_zu_Assanges_Situation_(ab_Februar_2016)
- https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/un-experte-sieht-systemversagen-bei-polizeigewalt-in-deutschland-17971633.html
- https://www.amnesty.de/allgemein/pressemitteilung/covid-19-angriffe-meinungsfreiheit
- https://germany.representation.ec.europa.eu/news/eu-kommission-will-berichte-uber-corona-bezogene-falschinformationen-fortsetzen-2021-12-03_de