Die totale Überwachung – Europäische Polizeibehörde erhebt jetzt auch Daten von unbescholtenen und unverdächtigen Bürgern

von Holger Gräf

Es ist eines jener Ereignisse, die zwar nicht direkt vor den Blicken der Öffentlichkeit verborgen werden, die aber von ebendieser nicht (oder nicht ausreichend) zur Kenntnis genommen werden: Die umstrittene und dennoch umgesetzt Kompetenzerweiterung der Europäischen Polizeibehörde Europol. Diese darf nach einer Gesetzesnovelle vom Montag, seit Dienstag, den 28.06.2022 Daten in einem erheblich größerem Umfang erheben, sammeln und auswerten, als ihr dies bislang zugestanden worden war.

Die große Neuerung umfasst auch, dass man von nun an keine Rücksicht mehr darauf nehmen muss, ob über die Personen und Organisationen, die man ins Visier nimmt, überhaupt ein Anfangsverdacht besteht. Jeder Bürger der EU muss von nun an damit rechnen, dass Europol eine große Datenanalyse über ihn anstellt und ihn ggf. in Verbindung mit anderen Personen oder Ereignissen bringt, mit denen er gar nichts zu tun hat.

Europol

Europol selber sagt dazu:

Man sei nun in der Lage, „personenbezogene Daten ohne die Kategorisierung der betroffenen Person zu verarbeiten, solange und wann immer dies für die Unterstützung einer bestimmten laufenden strafrechtlichen Ermittlung erforderlich ist“. Dies sei vor allem für den Umgang mit großen und komplexen Datensätzen von Bedeutung, die erst kategorisiert werden könnten, „wenn die relevanten Informationen extrahiert und analysiert“ worden seien.

https://www.heise.de/news/Europols-Mandat-zur-Massenueberwachung-tritt-in-Kraft-7157752.html

Die Brisanz, die in diesen Worten steckt, erschließt sich allerdings erst, wenn man weiß, wie genau Europol seine Daten vermutlich erheben und auswerten wird.

Dazu muss man wissen, dass seit dem Jahr 2004 an einer Software gearbeitet wird, die eben solche Datenerfassungen und -analysen perfekt beherrscht und der nichts entgeht, sei es auch noch so banal.

Palantir Gotham – der Spion aus Einsen und Nullen

Es ist eine Software namens Palantir Gotham, die bereits weltweit von Geheimdiensten und Polizeien eingesetzt wird. Auch in Deutschland.

Sie ist das Glanzstück von Palantir Technologies, einem, im Jahr 2004 von Peter Thiel und der CIA gegründeten Unternehmen. Peter Thiel ist ein ehemaliger Kollege Elon Musks und Mitbegründer von PayPal. Nach dem Verkauf PayPals an eBay, steckte er einen Teil des Verkaufserlöses in eben jenes Unternehmen und schuf mit seinem Flagschiff Palantir Gotham eine perfekte Überwachungsmaschinerie. Was die Software schon in ihrer kostenlosen Version kann, bewies Thomas Röper eindrucksvoll in seinem Buch „Inside Corona“. Das Programm bohrt sich durch sämtliche Daten, die es für relevant hält und setzt diese in einen Kontext.

Wozu es geschaffen wurde, kann man am besten mit Thiels eigenen Worten wiedergeben, wonach „Sicherheit vor Terror und Unruhen nur durch eine vollständige Überwachung und Analyse der Gesellschaft möglich sei“.

Nun werden wir aber nicht (wirklich) von Terror bedroht, es sei denn, man rechnet den Terror mit hinzu, den Regierungen seit geraumer Zeit mit zunehmender Intensität auf ihre eigenen Bevölkerungen ausüben. Bleiben also noch die Überwachungsphantasien und eine Software, die sie Realität werden lassen kann. Und schon haben wir sie, die schöne neue Welt, in der jeder sicher ist, solange er sich stets der vorgegebenen Meinung unterwirft.

Die neuen Kompetenzen, die Europol nun genießt, lassen sich in diesem Licht nur als einen weiteren Schritt auf dieses Ziel deuten. Es wird sicher nicht der letzte Schritt sein, aber es ist einer, den wir gut im Auge behalten müssen. Denn tun wir dies nicht, dann ist der (bloß) „gläserne Bürger“ bald ein Auslaufmodell, an das wir uns bald wehmütig zurückerinnern werden wie an eine gute alte Zeit, als zwar auch schon viel zu viele Daten erhoben wurden, aber eben „nur“ per Hand und diese sich zumeist auf Straftäter beschränkten. Vielleicht werden wir dann vom „luftigen Bürger“ sprechen oder vom „X-Ray Bürger“.

Sie mögen sich nun vielleicht fragen, woher Europol all diese Daten nehmen will..

Nun, wir alle haben mit dem Aufkommen des Internets unzählige Daten hinterlassen. Nicht nur, aber auch bei Facebook, Amazon, google, ebay u.s.w. Das alles wird nun von Palantir Gotham durchwühlt und in Beziehung zueinander gesetzt. Denn mit der neuen Gesetzesnovelle fallen praktisch alle Rechte und Schranken, die wir uns noch kurz zuvor über den Datenschutz erkämpft hatten. Was von der DSGVO jetzt noch bleibt, sind nervige Cookiebanner und der Umstand, dass das gesamte Internet über eine SSL-Verschlüsselung ausgebremst wird.


 

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