Missachtung des humanitären Völkerrechts

von Nathalie Sanchez Friedrich

Der menschenverachtende Einsatz von Streubomben ist Teil der deutschen Geschichte im Zweiten Weltkrieg.

Die im Juni 1943 von der deutschen Armee in der Küstenstadt Grimsby (Großbritannien) eingesetzten „Butterfly-Bomben“ gelten als Vorläufer der heutigen Streumunition und kosteten nicht nur während ihres Einsatzes, sondern auch noch Stunden später viele Zivilisten – darunter auch Kinder – das Leben.

Menschenrechtler prangern diese Waffen genau deshalb als besonders heimtückisch an, weil sie keinen Unterschied zwischen zivilen und militärischen Zielen machen und alles durchsieben, was in ihre Nähe kommt. Und tatsächlich fordern nicht explodierte Sprengkörper oder „Blindgänger“ aus Streumunition auch noch Jahrzehnte nach ihrer Verwendung durch die USA und bis in die heutige Zeit jährlich hunderte Todes- und Verstümmelungsopfer unter der Zivilbevölkerung in den betroffenen Ländern, wie z.B. Irak, Vietnam, Laos oder Kambodscha. ¹ Humanitäre Hilfsorganisationen rechnen mit weiteren fünfzig Jahren, bis sämtliche Streubomben aus vergangenen Einsätzen beseitigt sind.

Darf eine jahrzehntelange Gefährdung der ukrainischen Zivilbevölkerung Ergebnis des Stellvertreterkrieges sein?

Streumunition

Das „Oslo-Übereinkommen“

Deutschland gehörte als eines der ersten Länder von den insgesamt weit über 100 Staaten zu den Unterzeichnern des „Oslo-Übereinkommen“, das zum 01. August 2010 in Kraft trat. Das Übereinkommen über Streumunition (CCM) entstand aus der kollektiven Entschlossenheit, die humanitären Folgen und inakzeptablen Schäden durch Streumunition für die Zivilbevölkerung anzugehen. ²

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verbürgte sich mit seiner Unterschrift als damaliger Außenminister Deutschlands für die Ächtung dieser Waffen. Mit Unterzeichnung dieses völkerrechtlichen Vertrages bekannte sich Deutschland „zum Verbot des Einsatzes, der Entwicklung, der Herstellung, des Erwerbs, der Lagerung, der Zurückbehaltung und der Weitergabe von Streumunition“.

Globales deutsches Engagement

Auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes wird betont, wie Deutschland weltweit – in gewohnter Manier – als „größter und verlässlichster Geldgeber“ seiner Rolle bei der Umsetzung des „Oslo-Übereinkommens“ gerecht wird. ³ Neben „humanitärem Minen- und Kampfmittelräumen“ hat sich Deutschland im Besonderen mit „Projekten der Opferfürsorge“ hervorgetan. Auch bei der Vernichtung der Bestände an Streumunition erfüllte Deutschland die Ziele lange vor Frist. ⁴

Interessant ist in diesem Zusammenhang: Der damalige SPD-Abgeordnete Andreas Weigel sowie sein damaliger CSU-Kollege Karl Theodor zu Guttenberg formulierten bereits 2010 ganz klare Ziele, die mit der Bereitstellung von 50 bis 60 Millionen Euro einhergingen. Die Regierung solle die USA auffordern, ihre Bestände aus Deutschland abzuziehen und darauf drängen, dass Bündnispartner bei gemeinsamen Militäroperationen auf Streubomben verzichten. Deutschland, so der Wunsch der Parlamentarier, soll Vorbild sein und jene Staaten unter Druck setzen, die sich dem Verbot verweigern.

Aktuelle Entwicklungen

Wie passt das nun zu den aktuellen Entwicklungen im Ukrainekrieg? Wir meinen: gar nicht!

Bereits im Februar des Jahres forderte die Ukraine Streumunition und Phosphor-Brandwaffen zum Einsatz im Russland-Ukraine-Krieg. ⁵

Aber ist es nicht so, dass sich mit einer Forderung dieser Art die Waffe gegen das eigene Volk richtet? Fakt ist: Krieg ist immer brutal und zerstörerisch. Aber es gibt Waffen, die einfach nur unmenschlich sind.

Insofern überraschte vor zwei Wochen die internationale Kritik an den Plänen der US-Administration nicht, die Ukraine mit Streumunition zu beliefern. Warnungen sprachen nicht nur viele demokratische Abgeordnete und Senatoren im US-Kongress aus, sondern auch wichtige US-Medien wie die die Washington Post in ihren Artikeln. ⁶

Auch Menschenrechtsorganisationen und NATO-Verbündete wie Spanien und Großbritannien protestierten entschieden gegen die US-Pläne.

Auch in Deutschland wurden kritische Stimmen laut, denn richtig wohl scheint sich tatsächlich niemand mit dieser Entwicklung zu fühlen. Aber eine klare Position unserer Bundesregierung gegen den Einsatz von Streumunition sucht man vergeblich. Zudem sorgte die Aussage des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier im ZDF-Sommerinterview für Sprengstoff, in der er die Lieferungen der USA an die Ukraine verteidigte. Die Bundesregierung könne „in der gegenwärtigen Situation den USA nicht in den Arm fallen“. ⁷ Dies sagte er, obschon er derjenige war, der das „Oslo-Übereinkommen“ unterzeichnete, mit dem Deutschland verpflichtet ist, jedes Land – auch die USA – vom Gebrauch von Streumunition abzuhalten. ⁸ ⁹

Wir fordern ein Ende der Eskalation

Seit dem Wochenende berichten nun Medien und offizielle Stellen in Russland und den USA vom Einsatz dieser Waffen; „sie setzen sie angemessen und effektiv ein„, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der US-Regierung, John Kirby.  ¹⁰

Wir verurteilen die Haltung der deutschen Bundesregierung und ihre Missachtung der Verpflichtungen aus dem „Oslo-Übereinkommen“ sowie des humanitären Völkerrechts.

Wir werten die Aufstockung der Bestände der Ukraine an international geächteter Streumunition durch die USA als Eingeständnis, dass die milliardenschweren, westlichen Waffenlieferungen bisher nicht ausreichten, um die russischen Verteidigungsanlagen zu schwächen. Und sie scheinen auch ein sicheres Indiz dafür zu sein, dass den USA und der Ukraine mittlerweile herkömmliche Artilleriemunition ausgegangen ist.

Wir vertreten jedoch die Auffassung, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen ist – auch nicht mit Streubomben, die sowohl Angreifer wie auch Angegriffene schutzlos ausliefern. Hier gibt es nur einen Gewinner: die Waffenindustrie.

Die jüngsten Aktionen zielen aus unserer Sicht darauf ab, den Konflikt in der Ukraine maximal zu verlängern – bis zum letzten Ukrainer. Sie lassen erwarten, dass die russische Seite zu ähnlichen Mitteln greift und bergen zudem das Risiko, dass sich der Konflikt in andere europäische Staaten ausweitet.

Lieferung von Streumunition schafft keinen Frieden! Es gibt keinen anderen Weg zum Frieden als Frieden!

Im Vordergrund aller internationalen politischen Aktivitäten muss der globale Frieden im Sinne des UNO Gewaltverbotes stehen. Daher fordern wir die sofortige Beendigung des völkerrechtswidrigen Waffeneinsatzes und den sofortigen Beginn einer internationalen Entspannungspolitik!

Wir, die Partei dieBasis, fordern die deutsche Regierung auf, sich uneingeschränkt an das deutsche Ratifikationsgesetz des Osloer Abkommens zu halten, sich nicht von den USA in einen auf europäischem Boden drohenden 3. Weltkrieg hineinziehen zu lassen und aktiv an der Herstellung diplomatischer Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine mitzuwirken. Eine weitere Lieferung jedweder Waffen und die Ausbildung ukrainischer Soldaten ist mit sofortiger Wirkung einzustellen.

Wir wollen Frieden und keinen Krieg!

Diese Haltung sowie weitere politische Leitlinien für den Frieden hat dieBasis mit ihren Mitgliedern gemeinsam abgestimmt und wird sie mit aller Kraft vertreten. (Friedensleitlinien diebasis)

Quellen:

¹ https://www.infosperber.ch/freiheit-recht/menschenrechte/streubomben-fuer-die-ukraine-missachten-humanitaeres-voelkerrecht/

² https://www.clusterconvention.org/

³ https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/sicherheitspolitik/abruestung-ruestungskontrolle/uebersicht-konvalles-node/streumunition-node

https://www.sueddeutsche.de/politik/streumunition-aechtung-rueckt-naeher-1.381868

https://www.berliner-zeitung.de/news/ukraine-fordert-streumunition-und-phosphor-brandwaffen-li.319124

https://www.washingtonpost.com/opinions/2023/07/07/no-cluster-bombs-ukraine/

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/zdf-sommerinterview-steinmeier-streubomben-ukraine-100.html

https://twitter.com/mz_storymakers/status/1678071847479390210

https://www.auswaertiges-amt.de/blob/204778/b0c132557a6c64ca67116f638d3be4a2/081203-abkommenstreumunition-data.pdf und https://www.clusterconvention.org/convention-text/

¹⁰ https://www.n-tv.de/politik/Ukraine-feuert-bereits-mit-US-Streumunition-article24275505.html

 

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