Nie wieder, darf so etwas geschehen

von Karsten Wappler

Noch in den 70er Jahren waren die Parlamente der Deutschen Regierungen voll von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern (1). In den Verwaltungen, Gerichten, Schulen, Universitäten und Medien sah es nicht anders aus. Gerne wird geglaubt, das mit Ende des zweiten Weltkrieges durch die von den Alliierten verordnete Entnazifizierung auch das faschistische Gedankengut aus dem Staatssystemen in Deutschland verschwunden ist. Der alte Geist der Nazis überdauerte aber noch Jahrzehnte in den Köpfen ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nicht aus den Ämtern entfernt wurden. Insbesondere viele der Gerichte und Dozenten von Universitäten waren noch belastet (2).

Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren
Grafik von Protestierenden mit erhobener Faust - Schematische Darstellung

So war der Protest der deutschen 68er Bewegung gegen das Establishment auch ein Protest gegen die Altnazis in den gesellschaftlichen Positionen. Die fehlende Aufarbeitung der NS-Zeit und die elitären Strukturen der Gesellschaft brachten die Studenten auf die Straße.

Ich bin 1963 in Westberlin geboren und aufgewachsen. Meine Lehrer waren zum großen Teil die Studenten der 68er Bewegung. Die Altnazis waren zu meiner Schulzeit zum Teil noch in Amt und Würde und das Auflehnen gegen diesen Zustand in der jungen Lehrerschaft war auch im Unterricht zu vernehmen. Die NS-Verbrechen, aber auch die fehlende Aufarbeitung wurde oft thematisiert. Filme wie „Die Brücke“ von 1959 oder später „Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss“ von 1979 genauso wie Besuche in der Gedenkstätte Plötzensee gehörten zum Unterrichtsstoff in Geschichte, Sozialkunde und Kunst. Die Propaganda, die Sozialpolitik (z.B. „Kraft durch Freude“), die Rassenlehre und dann der Krieg und die systematische Vernichtung von Leben in den Konzentrationslagern – Anhand der Ideologie der Volksgemeinschaft der Nazis wurde uns aufgezeigt wie aus Menschen Unmenschen werden, die anderen das Menschsein absprechen.

Sei wachsam – brachten die Lehrer uns bei

Das sitzt tief in mir drinnen und natürlich vergleiche ich aktuelle Geschehnisse mit denen vor der NS-Diktatur. Die Nazis waren nicht einfach plötzlich da. Es war ein Weg der je nach Standpunkt oder Thema über Jahrzehnte bis Jahrhunderte dauerte oder gar immer da war. Ich schaue nach Mustern nach Gleichnissen und finde sie und weiß, wenn ich sie ausspreche, könnte ich angezeigt werden. Auch das passt in die damalige Epoche.

Wachsam sein bedeutet aufzupassen, Gefahren zu erkennen. Diese erkennt man auch durch Vergleiche. Diese auszusprechen bedeutet Meinungsfreiheit. Meinungsfreiheit gehört zur Würde des Menschen. Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Quellen:

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_ehemaliger_NSDAP-Mitglieder,_die_nach_Mai_1945_politisch_t%C3%A4tig_waren

(2) https://www.sueddeutsche.de/politik/altnazis-im-bund-der-vertriebenen-leute-die-von-frueher-was-verstehen-1.1529956