100 Jahre Rundfunk

von Martina Laabe

Mit den Worten des Direktors der „Funkstunde Berlin“ – “Achtung, Achtung. Hier ist die Sendestelle Berlin, im Vox Haus. Auf Welle 400 Meter.“ – begann am 29.10.1923 der offizielle Betrieb des deutschen Rundfunks.

„Es gab damals, im Oktober 1923, genau 253 Personen, die sowohl ein Radio-Empfangsgerät besaßen als auch eine Lizenz zum Zuhören. Wer das Programm hören wollte, musste nämlich bei der Post eine Lizenz kaufen, eine sogenannte „Hör-Gewährung“ – sozusagen ein früher Rundfunk-Beitrag… Der Preis damals: 350 Milliarden Mark. Es war die Zeit der großen Inflation.“[1]

SWR 2

Im Jahr darauf folgten Radiosendungen aus verschiedenen Regionen des Deutschen Reiches: Mitteldeutscher Rundfunk, Südwestdeutscher Rundfunk, Süddeutscher Rundfunk, Nordischer Rundfunk, Ostmarken Rundfunk u.a.[2]

Bereits drei Jahre zuvor, am 22.12.1920, hatte es eine erste Hörfunksendung von Technikern der Reichspost in Königswusterhausen gegeben, so dass bereits 2020 im Museum für Kommunikation Berlin 100 Jahre Hörfunk gefeiert wurde.[3]

100 Jahre Rundfunk: Reform dringend nötig!

Zwischen 1929 und 1933 kooperierten die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft und die einzelnen Sendeanstalten. Zum Programm gehörten damals wie heute Reportagen, live Übertragungen, das Abspielen von Schallplatten und das Hörspiel, ein Genre, welches erst mit dem Hörfunk aufkam.[4]

Die Nationalsozialisten erkannten das Potential des Rundfunks als Propagandainstrument und so kam es zur Gleichschaltung der Rundfunkmitarbeiter unter der Ägide des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, geleitet von Joseph Goebbels. Der Volksempfänger sollte Reden und politische Veranstaltungen des Regimes in alle Haushalte tragen. Der Reichsminister im März 1933:

„Ich halte den Rundfunk für das allermodernste und für das allerwichtigste Massenbeeinflussungsmittel, das es überhaupt gibt.“[5]

Joseph Goebbels

Zu den größten Propagandaerfolgen der nationalsozialistischen Regierung zählte die Olympiade von 1936, sie wurde über den Rundfunk in 40 Länder übertragen. Im Laufe des Krieges gewannen die Unterhaltungssendungen und Nachrichten an Bedeutung. Die aktuellen Berichte des Oberkommandos der Wehrmacht wurden mehrmals täglich vorgelesen. Vom deutschen Rundfunk waren keine alternativen Meldungen außer den Regierungsverlautbarungen zu hören, so dass die Deutschen über den wahren Kriegsverlauf und besondere Maßnahmen des Regimes im Unklaren gelassen wurden. Im Verlauf des Krieges sendeten jedoch ausländische Rundfunkanstalten Beiträge auf Deutsch, wie beispielsweise von Thomas Mann und anderen Exilanten.

Nach der bedingungslosen Kapitulation wurde das ehemals Großdeutsche Reich geteilt und so auch der Rundfunk. Der DDR Rundfunk bestand vom 13. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1991. Am 10. Mai 1945 hatte der sowjetische Stadtkommandant in Berlin die Wiedereinrichtung des öffentlichen Rundfunks in der Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ) befohlen.[6] Kommunisten der „Gruppe Ulbricht“ übernahmen diese Aufgabe. Neben dem Wiederaufbau des Rundfunks in Berlin wurden auch in anderen Regionen der SBZ Sendeanstalten in Betrieb genommen, z. B. Radio Leipzig. Zwischen Mai 1945 und Oktober 1949 kam es zu zahlreichen politischen Säuberungen und mit der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 gelangte der ost- beziehungsweise mitteldeutsche Rundfunk in die Hände SED-linientreuer Funktionäre und Mitarbeiter. Ein Staatliches Rundfunkkomitee (inklusive „Deutscher Fernsehfunk“) wurde ab 1952 oberstes zentrales Leitungsorgan für alle Sender in der DDR und sorgte für eine Zentralisierung in Berlin, so dass die Bedeutung regionaler Sender schwand. Nach dem Mauerbau verstärkte sich die ideologische Abschottung gen Westen und es wurden auch Störsender installiert, die insbesondere die Ausstrahlung des westdeutschen Senders RIAS Berlin verhindern sollten. Seit dieser Zeit galten auf Grund ihrer weiten Verbreitung die Rundfunkgeräte – im Gegensatz zum noch wenig verbreiteten Fernsehen – als Massenmedium und entsprechend hoch war ihre Bedeutung. Insgesamt gab es in der DDR fünf Rundfunkprogramme mit inhaltlich-thematischen Schwerpunkten sowie einen Auslandssender. Nach der Wende wurde die Rundfunkbetrieb der DDR zum 31. Dezember 1991 eingestellt und regionale Sender wurden schrittweise wiederbelebt. Die Strukturen eines öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems (ÖRR) kamen mit dem Einigungsvertrag.

Der Reichssender Flensburg sendete am 7. Mai 1945 die Ansprache des leitenden Ministers der geschäftsführenden Reichsregierung Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk über die bedingungslose Kapitulation. Am 13. Mai wurde der Sendebetrieb eingestellt. Die westlichen Alliierten beschlossen, den deutschen Rundfunk nach dem Vorbild des BBC aufzubauen: gebührenfinanziert, dezentral organisiert und durch Gremien kontrolliert.[7] Die Briten dachten an eine Re-education, eine Rückführung der Deutschen zu ihrem alten Wissen über Demokratie, Humanismus, Kultur. Politische Informationen, Bildung und Unterhaltung standen auf dem Programm. Da Deutschland im Dritten Reich von bestimmter Literatur und gewissen Musikrichtungen abgeschnitten war, gab es hier Nachholbedarf. 1949 wurden die westdeutschen Sender wieder in deutsche Hände gegeben und 1950 wurde die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD) gegründet. Mit der Verbreitung der Fernsehgeräte in den Haushalten änderten sich die Gewohnheiten der Hörer. Hatten sie das Radio bis dato überwiegend für bestimmte Sendungen eingeschaltet, sollten sie es nun den ganzen Tag über hören. Infolgedessen gab es mehr Abwechslung, mehr Informationen und viel Musik. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts machte 1981 den Weg frei für den privaten Rundfunk, was den Radiomarkt revolutionierte. So entstand das sogenannte duale Rundfunksystem in Westdeutschland.

Der Einigungsvertrag zur Wiedervereinigung regelte auch die Auflösung des DDR Fernsehens und Rundfunks sowie die Einrichtung der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten in den neuen Bundesländern. [8] Seit 1991 galt für die gesamte Bundesrepublik der Rundfunkstaatsvertrag, der fortwährend geändert und 2020 durch einen Medienvertrag abgelöst wurde, was der zunehmenden Digitalisierung geschuldet ist. [9]

Was sind die Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten?

„Mit ihren Angeboten sollen sie zum Prozess der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung beitragen und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft erfüllen. Sie sind dazu verpflichtet, einen umfassenden Überblick über das Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Die Angebote müssen der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung dienen.“[10]

Bundeszentrale für politische Bildung

Nach den Erfahrungen des Dritten Reiches wurde der westdeutsche Rundfunk zum Zwecke der Re-education genutzt, einem damals aus Alliierter Sicht wünschenswerten Ziel. Auch die Erfahrungen des ost- beziehungsweise mitteldeutschen Rundfunks zeigten erneut die Problematik des zentralen Staatsfunks. Nach 1991 sollte alles besser werden. Die Öffentlich Rechtlichen sind trotz ihres Anspruchs niemals neutral gewesen, aber vielleicht ist es nie so auffällig gewesen wie in den letzten Jahren, dass sie sich zum Sprachrohr der Regierung gemacht und somit ihre Rolle als vierte Gewalt aufgegeben haben. Hier setzt die aktuelle Kritik von vielen Seiten an – wie auch hinsichtlich des Finanzierungsmodells. Mit 18 öffentlich-rechtlichen Fernseh- und 74 Radioprogrammen, ihren Onlineauftritten und den Angeboten in den sozialen Netzwerken wirkt der ÖRR überdimensioniert.[11] Hinzu kommen Skandale wie der jüngste um die ehemalige RBB Intendantin.

Im März 2023 hat ein „Zukunftsrat“ seine Arbeit aufgenommen, der sich Gedanken machen soll um die künftige Organisation, Nutzung und Akzeptanz der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten. Eine Reform dieses Systems ist unbestritten dringend nötig[12], manche fordern sogar seine Auflösung.

diebasis steht für das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, Informations- und Pressefreiheit. Wir wollen den offenen Dialog und die Einbeziehung aller Meinungen statt vermeintlicher Alternativlosigkeit. Wir setzen uns für Medien und Organisationen ein, die unabhängige Meinungsbildung frei von politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme ermöglichen. (Mitgliederkonsens Juli 2021, Zustimmung 98,8%)


Links:

[1] https://www.swr.de/swr2/wissen/archivradio/achtung-achtung-so-begann-die-erste-rundfunksendung-102.html

[2] https://100jahrerundfunk.de/2023/

[3] https://100jahrerundfunk.de/100-jahre-rundfunk/

[4] https://www.dra.de/de/bestaende/weimarer-rundfunk/hoerfunk/

[5] https://www.dra.de/de/bestaende/ns-rundfunk/hoerfunk/

[6]  https://de.wikipedia.org/wiki/Rundfunk_der_DDR#Sowjetische_Besatzungszone

https://www.dra.de/de/mauerbau-1961/themendossiers/rundfunk-im-jahr-1961/versorgungsgrad-und-programme

[7] Hier und im Folgenden: https://www.planet-wissen.de/kultur/medien/geschichte_des_radios/index.html

[8] https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/311191/oeffentlich-rechtlicher-rundfunk-von-der-gruendung-der-ard-bis-heute/

[9] https://www.ard.de/die-ard/Rechtsgrundlagen-Medienstaatsvertrag-100/

[10] https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/311191/oeffentlich-rechtlicher-rundfunk-von-der-gruendung-der-ard-bis-heute/

[11] https://www.deutschlandfunk.de/reform-ard-zdf-oeffentlich-rechtlicher-rundfunk-100.html

[12] https://leuchtturmard.de/

 

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