von Holger Gräf
Es war eine echte Achterbahn der Gefühle, was der Arzt, Mikrobiologe und emeritierte Professor für Immunologie und Infektiologie in den vergangenen Jahren durchmachen musste.
Nach einem, von dem Künstler und Aktivisten Kai Stuht veröffentlichten Video, war zunächst im Zusammenhang mit darin getätigten Äußerungen gegen ihn ermittelt worden. Das Verfahren wurde aber eingestellt und es schien, als sei der Fall damit abgeschlossen.
Ganz unvermittelt wurde das Verfahren dann aber doch wieder von der Oberstaatsanwältin Silke Füssinger eröffnet, die auch zeitgleich als Antisemitismusbeauftragte auftrat – quasi in Personalunion. Das war im Dezember 2021. Nun wurde also erneut ermittelt und der Fall sogar auf weitere Äußerungen ausgeweitet, die Bhakdi auf einer Demonstration in Kiel getätigt hatte.
Am Dienstag, dem 23. Mai 2023, erreichte das Verfahren vor dem Amtsgericht Plön nun seinen Höhepunkt. Pressevertreter nahezu aller großen Medienanstalten, darunter auch die Tagesschau und die dpa, warteten mit Spannung darauf, dass der von ihnen stets als Corona-Leugner und Verbreiter von Falschinformationen bezeichnete Bhakdi jetzt auch noch wegen antisemitischer Äußerungen rechtskräftig verurteilt würde. Auch Oberstaatsanwältin Füssinger schien siegessicher, wie aus ihrem Schlussplädoyer später hervorgehen wird. Darin sagte sie (sinngemäß), dass sie eine so frühe Äußerung des Gerichts hinsichtlich der Nichtstrafbarkeit von Bhakdis Äußerungen nicht erwartet habe.
Doch es kam anders, als es sich wohl viele erhofft hatten.
Zunächst einmal stellte Rechtsanwalt Sven Lausen – Teil des dreiköpfigen Verteidigerteams und Bruder des bekannten Datenanalysten Tom Lausen – zum Prozessbeginn klar, dass eklatante Fehler bei der staatsanwaltlichen Ermittlung gemacht worden waren. So sei unstrittig, dass die Klageerhebung zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, als der Oberstaatsanwältin Füssinger noch gar nicht die vollumfänglichen Beweise vorlagen. Füssinger habe auf Grundlage von Videoschnipseln gehandelt; die vollständigen Videos habe sie erst später registriert.
Somit sei ihr der Kontext, in dem die Aussagen stehen, nicht bekannt gewesen.
Infolge dieses Verfahrensfehlers stellte Lausen den Antrag, die Klageschrift nicht zu verlesen und das Verfahren einzustellen. Nach einer längeren Beratungspause wies das Gericht den Antrag jedoch zurück und der Prozess begann.
Schon beim ersten Zeugen wurde den Anwesenden klar, wohin die Reise gehen würde. Ein Polizist, der eigentlich als Zeuge der Anklage geladen war, sagte nicht gegen Bhakdi aus. Stattdessen gab er zu Protokoll, er habe die Rede gar nicht gehört, weil er anderweitig beschäftigt gewesen sei. Auf der entsprechenden Demonstration sei aber alles friedlich verlaufen. Dann ein kleiner Eklat: Als er den Saal verlässt, blickt er kurz zu dem Angeklagten und sagt: „Viel Erfolg und alles Gute.“
Nun wurden die in Rede stehenden Videos angeschaut und Richter Grundmann äußerte erstmalig, dass er in Bhakdis Handlungen keine Straftat erkenne. Viele Medienvertreter verließen daraufhin kurzzeitig den Saal.
Der Richter wollte daraufhin die Beweisaufnahme abschließen, woraufhin die Oberstaatsanwältin beantragte, unbedingt noch einen Ermittlungsbeamten zu laden, der etwas zur Verbreitung der Videos sagen könne. Auf Twitter und anderen Social-Media-Plattformen stellten viele Beobachter nun die ungläubige Frage, was der Umstand der Verbreitung an der Nichtstrafbarkeit ändern würde. Auch der Richter sah es scheinbar so und wies den Antrag zurück. Stattdessen verlas er den entsprechenden Teil des Ermittlungsprotokolls.
Nach den Schlusspädoyers
Die Oberstaatsanwältin forderte insgesamt 180 Tagessätze zu je 90 Euro, womit Sucharit Bhakdi vorbestraft gewesen wäre. Sie wies darauf hin, dass Stuht und Bhakdi ihre Handlungen womöglich gemeinsam geplant hatten und schweifte zudem noch zu Themen, wie FFP2-Masken in Bussen, ab, von denen niemand so recht verstehen konnte, was sie damit eigentlich zum Ausdruck bringen wollte.
Auch Richter Grundmann schien das nicht zu verstehen und sprach Sucharit Bhakdi daher um 17:45 Uhr von allen Anklagepunkten frei. In seiner mündlichen Urteilsbegründung wies er darauf hin, dass bei mehrdeutigen Aussagen der Kontext sehr wichtig sei. Der Angeklagte habe differenziert zwischen Politik, dem Volk Israels und Juden allgemein.
Im Zusammenhang mit Bhakdis Rede in Kiel vertrat der Richter die Auffassung, dass es sich um einen Beitrag zur demokratischen Willensbildung gehandelt habe. Er würdigte, dass sich Bhakdi in seiner Rede für Diskurs ausgesprochen hat.
Größer hätte die „Klatsche“ für Oberstaatsanwältin und Antisemitismusbeauftragte Füssinger, sowie die angereisten Medienvertreter nicht sein können. Hatten sie doch erwartet, den honorigen Medizinprofessor, der es gewagt hatte, sich gegen das Narrativ zu stellen, nun endlich auch als einen Antisemiten brandmarken zu können. Stattdessen präsentierte ihnen das Gericht einen lupenreinen Demokraten.