Warum dieBasis als neue Kraft gerade jetzt so wichtig ist und warum eine Stimme für die AfD den Grünen nutzen könnte
von Holger Gräf
Derzeit überschlagen sich angestammte AfD-Wähler in den Sozialen Netzwerken mit Jubelrufen. Auslöser ist ein seit nunmehr mehreren Wochen anhaltender Stimmenzuwachs der AfD und ein zeitgleicher Stimmeneinbruch der Grünen in den Sonntagsumfragen.
Doch der Jubel scheint verfrüht, wenn man sich einmal näher anschaut, wozu diese Entwicklung führen könnte.
Zwei Dinge kann man als gesichert erachten: Erstens wird die AfD niemals die absolute Mehrheit erlangen, also die Sitzmehrheit im Bundestag allein durch ihre eigenen Stimmenanteile einnehmen. Zweitens wird keine der anderen Parteien mit ihr koalieren. Egal, wie viele Stimmen sie am Ende erlangt, werden die anderen Parteien stets um sie herum koalieren.
Mit diesen Erkenntnissen im Hinterkopf, müssen wir uns nur ausrechnen, wie viele Stimmen die AfD erlangen muss, um damit die Grünen zum unverzichtbaren Koalitionspartner zu machen. Schließlich bedeutet Regierung, dass man mehr Sitze benötigt,als die Opposition.
In der aktuellen Situation würde es für Schwarz-Rot allein schon nicht mehr reichen. Im Verbund mit der FDP käme noch eine bescheidene Mehrheit zustande. Legt die AfD jedoch weiterhin zu, würde eine Koalition um sie herum irgendwann nur noch mithilfe der Grünen möglich sein. Die Erklärung wäre dann recht simpel und würde von den meisten Wählern sicherlich geschluckt: Um die AfD zu verhindern, muss man halt in diesen „sauren Apfel“ beißen.
Und erneut wären die Grünen an der Regierung beteiligt. Selbstverständlich wäre das klar gegen den Willen der Wählermehrheit, aber verhindert werden könnte es in unserem Verhältniswahlrecht leider nicht.
Es klingt paradox, doch je mehr Stimmen die AfD bekommt, umso sicherer sind die Grünen erneut an der kommenden Regierung beteiligt.
Die Lösung dieses Dilemmas
Dass die Wählermehrheit mit der aktuellen Ampelregierung mehr als unzufrieden ist, wird ganz klar aus den Sonntagsumfragen ersichtlich. Auch die zwischenzeitlichen Landtagswahlen, wie beispielsweise die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft, zeigt, dass sich insbesondere die Grünen im freien Fall der Wählergunst befinden.
Darauf reagieren die Wähler jedoch unterschiedlich. Die einen haben ein schlechtes Gedächtnis und wollen es deshalb noch einmal mit der CDU versuchen. Viele jedoch wählen die AfD aus reiner Notwehr. Das sind Wähler, die mit dem Kernprogramm der AfD eigentlich gar nichts zu tun haben – sie wollen nur einfach jene Parteien verdrängen, die sich über Jahrzehnte das Zepter in die Hand gaben, um es zu missbrauchen.
Dass es nicht noch viel mehr sind, liegt einfach daran, dass die AfD nun einmal die AfD ist. Was aber wäre, wenn es eine Partei gäbe, die als echte Alternative, sozusagen ohne „Haken und Ösen“ infrage käme? Gibt’s nicht? Doch! dieBasis ist aktuell die neuntgrößte Partei Deutschlands. Sie zu wählen, würde genau das bedeuten: eine gezielte Abwahl der üblichen Verdächtigen.
Zudem würde eine zweite Partei, die sich gegen die „üblichen Verdächtigen“ stellt, bedeuten, dass es kaum mehr eine Möglichkeit gäbe, um sie herum zu koalieren.
Die Wahl der dieBasis-Partei wäre also durchaus ein Weg aus dem oben gezeigten Dilemma.
Nachfolgend noch Gedanken zur aktuellen Situation unserer Parteinlandschaft:
Unsere Konkurrenzdemokratie – The winner takes it all
von Dietmar Ferger
Das strukturelle Problem in der deutschländischen Politik ist – wie auch in den meisten westlichen repräsentativ-demokratischen Staaten – das Prinzip der Konkurrenzdemokratie. Dies bedeutet, dass eine Regierung nur von dem größeren Teil der gewählten Abgeordneten gebildet wird (der „Regierungsfraktion“), während der kleinere Teil sich mit der Rolle der Opposition abfinden muss. Minderheits-Regierungen, bei denen die Regierungsfraktionen keine eigene Mehrheit haben, werden wenn möglich vermieden, denn sie müssten sich auf Stimmen aus der Opposition stützen, um Mehrheiten für ihre Vorhaben zu bekommen.
Konkret: Die drei aktuellen Regierungsparteien sind 2021 bei einer Wahlbeteiligung von 76% von insgesamt 52% der Wähler gewählt worden, sie wurden also von 40% der Bevölkerung aktiv legitimiert, während 60% der Bevölkerung sie nicht legitimiert haben.
Dieses System ist die Ursache der zu beobachtenden Querelen in der Regierung. Da die Regierungsparteien nur eine knappe Mehrheit der Abgeordneten haben, kann jede Regierungspartei die anderen Partner unter Druck setzen, denn auf Stimmen aus der Opposition können sie generell nicht zählen. So kommt es, dass eine Partei wie die Grünen, die von nur 11% der Bevölkerung legitimiert wurde, ihren Willen in der Regierung durchsetzen kann.
Weiterhin sind die Regierungsparteien darauf angewiesen, Fraktionsdisziplin bei den Abstimmungen einzufordern.
Anders ist es beispielsweise in der Schweiz: In der Schweiz ist die sog. Konkordanzdemokratie etabliert, dies bedeutet, dass alle gewählten Parteien abhängig von der Zahl der Stimmen einen Anteil an der Regierung haben, jede Partei stellt also eine entsprechende Anzahl an Ministern. Da es so auch unter den Abgeordneten zwar unterschiedliche Fraktionen, aber keine „Regierungskoalition“ (die alles bestimmt) und „Opposition“ (die alles kritisiert) gibt, können Entscheidungen sachbezogen und mit wechselnden Mehrheiten gefällt werden, die Fraktionsdisziplin ist nicht ausschlaggebend und vor allem werden alle Wähler in der Regierung repräsentiert. Hier entfallen auch alle Begründungen für die Beibehaltung einer 5%- Hürde, sie könnte wesentlich niedriger angesetzt werden und, um eine Fraktionsstärke von 10 Abgeordneten sicherzustellen, z.B. bei 2% liegen.
In einer solchen Demokratieform würde bei einem Wahlergebnis nach der o.g. „Sonntagsfrage“ die CDU 4 der 15 Ministerposten besetzen, die AfD und die SPD je 3, die Grünen und die FDP je 2 und die Linke Einen. Entsprechend würde dann auch mit der Besetzung der Staatssekretäre verfahren, wo dann auch Parteien zum Zuge kommen könnten, die unterhalb der 5%-Hürde liegen.
Den Bundeskanzler würde im ersten Jahr ein Minister aus den Reihen der CDU, in den weiteren Jahren ein Minister aus den Reihen der SPD, der AfD und der Grünen stellen, seine Macht wäre sehr begrenzt und auf die Repräsentation nach Außen fokussiert.
In einem solchen Parlament müsste jeder Minister, egal von welcher Partei, für seine Vorschläge eine Mehrheit unter allen Abgeordneten finden. Einseitige oder extreme Vorschläge können hier nicht aus Gründen des Machterhalts einer „Regierungskoalition“ durchgedrückt werden.
dieBasis setzt sich für mehr Demokratie in Deutschland ein – Konkordanzdemokratie wäre ein Weg in diese Richtung.
Die Weiterentwicklung der Konkordanzdemokratie wäre die Konsensdemokratie, die bis jetzt noch nirgends verwirklicht wurde. Sie würde zum Ziel haben, dass nicht abgestimmt wird, sondern dass so lange verhandelt wird, bis ein Konsens gefunden wird, mit dem alle Parteien zufrieden sein können. Solche Demokratieformen gab und gibt es beispielsweise in „tribalen“ Stammeskulturen, in denen sich die Ältesten so lange zusammensetzen und diskutieren („palavern“), bis eine, von allen mitgetragene, Lösung gefunden ist.
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