In Brandenburg soll ein Volksentscheid herbeigeführt werden, um die Bedingungen für Volksentscheide zu verbessern.
von Dieter Schrank
In Ergänzung zu dem interessanten Beitrag von Holger Gräf, der das Thema Volksentscheid in einer groben Übersicht bewusst gemacht hat, soll hier die bestehende Aktion Direkte Demokratie Brandenburg, die von Sachsen-Anhalt unterstützt übernommen wurde (Sachsen-Anhalt: Direkte Demokratie durch Volksentscheide (volksabstimmung-st.de), berichtet werden. Ziel dieser Aktion ist es, die Hürden für das Erreichen eines Volksentscheides per Volksentscheid auf Landesebene zu senken. Eine Aktion, die zur Nachahmung in anderen Landesverbänden einladen möge.
Das Dilemma ist schnell ersichtlich: Auf Landesebene kam es in Brandenburg seit 1990 zu zwei Volksentscheiden, die allerdings beide vom Parlament herbeiführt wurden (betreffend die Landessatzung und die Fusion mit dem Land Berlin). Dazu gab es im gleichen Zeitraum lediglich zwei erfolgreiche Volksbegehren, was bedeutet, dass das Parlament die Vorlagen hinreichend umgesetzt hat, womit es nicht zu einem Volksentscheid kommen musste.
Der Grund dafür, dass es so wenig erfolgreiche Volksentscheide gibt, liegt neben den von Gräf genannten eingeschränkten Bewerbungsmöglichkeiten in den Medien ganz einfach in den – unserer Ansicht nach – zu hoch angesetzten Hürden.
Zurzeit sieht es so aus, dass zunächst eine Volksinitiative die Unterstützung von 20 000 Einwohnern Brandenburgs benötigt. Wenn diese dann im Parlament nicht zu einem entsprechenden Gesetz führt, wird die zweite Stufe, das Volksbegehren eingeleitet. Hierfür sind 80 000 gültige Unterschriften erforderlich, um im Parlament behandelt zu werden. Wenn das Parlament dann wieder nicht die Gesetzesimpulse im Wesentlichen umsetzt, kommt es zum Volksentscheid. Der Volksentscheid gilt dann als bindend, wenn mindestens 25 % der Wahlberechtigten diesen befürworten: Dazu müssen in Brandenburg derzeit ca. 500 000 Ja-Stimmen für den Volksentscheid abgegeben werden! Unter diesen Bedingungen erscheint es nicht verwunderlich, wenn es bis dato zu so wenigen Volksentscheiden gekommen ist.
Im Wesentlichen geht es bei unseren Forderungen in der Volksinitiative in 10 Punkten (genauere Erläuterungen dazu können dem Anhang s.u. entnommen werden) darum:
- Alle Änderungen der Landessatzung benötigen immer einen Volksentscheid.
- Die Zahl der Unterschriften wird auf 0,5 % der Einwohner festgelegt (was zurzeit in Brandenburg ca. 10 300 bedeuten würde, als etwa die Hälfte gegenüber der derzeitigen Regelung).
- Bei Einwohnerinitiativen (Volksinitiativen auf kommunaler Ebene) wird die Anzahl auf 1% festgelegt.
- Die gesammelten Unterschriften aus einer Volksinitiative haben Gültigkeit für das folgende Volksbegehren.
- Das Zustimmungsquorum entfällt beim Volksentscheid, sondern es zählt die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen (wie bei anderen Wahlen ja auch üblich).
- Es kann über alle Themen abgestimmt werden, für die das Landesparlament bzw. die Kommunen zuständig sind.
- Die Unterschriften für Volksinitiativen wie Volksbegehren können als freie Sammlung oder per Amtseintrag erfolgen.
- Alle Abstimmungsberechtigten eines Volksentscheides werden durch ein „Abstimmungsheft“ neutral informiert, zudem werden die öffentlich rechtlichen Medien ausdrücklich dazu verpflichtet, ausgewogen zu berichten.
- Ein fakultatives Referendum wird eingeführt, d.h., alle Gesetze, die in Brandenburg verabschiedet werden, stehen 100 Tag unter einem Referendumsvorbehalt. In dieser Frist können Unterschriften mit einem Quorum von 1,5 % der Einwohner (z.Z. ca. 31000) zu einem Volksentscheid führen.
- Bei einem erfolgreichen Volksentscheid werden die Kosten anteilig vom Staat zurückerstattet.
Diese Aktion begleitet uns künftig in Brandenburg bei allen kommenden Wahlen, bei Info-Tischen und sonstigen Veranstaltungen, vermutlich bis hin zur Bundestagswahl. Die Gelegenheit ist damit gegeben, insbesondere auch unsere basisdemokratischen Grundsätze und Ziele nochmals mit den Mitgliedern und Bürgern zu diskutieren und mehr Bewusstheit darüber zu erlangen, was wirkliche Basisdemokratie für uns alle bedeutet und dass es natürlich mit einer Vereinfachung von Volksentscheiden allein noch lange nicht geschafft ist, diese zu verwirklichen.
Es braucht sicherlich eine gewisse gelassene Beharrlichkeit, die wir alle wohlwollend und achtsam aufbringen dürfen, um uns unseren Vorstellungen einer basisdemokratisch organisierten Gesellschaft anzunähern.
Für mehr Infos, Nachfragen, Anmerkungen:
Falls bei Bedarf noch Erläuterungen angefügt oder verlinkt werden sollen, hier weitere Informationen zu den 10 Forderungen der Aktion (entnommen der Webseite):
- Die Verfassung Brandenburgs wurde am 14. Juni 1992 durch einen Volksentscheid angenommen. Demzufolge sollte auch jede Änderung der Verfassung durch einen Volksentscheid bestätigt werden, so wie dies auch in den Landesverfassungen von Hessen und Bayern verankert ist.
Verfassungsänderungen nimmt seither der Landtag ohne Beteiligung der Bürger vor. Im Jahr 2022 fand die 11. Änderung statt. - Derzeit müssen 20.000 Brandenburger eine Volksinitiative durch ihre Unterschrift bestätigen. Wir möchten diese Hürde senken und gleichzeitig auf eine Prozentzahl (0,5 %; Vorbild: Nordrhein-Westfalen) festlegen. Vorteil der Prozentzahl-Regelung ist zudem, dass sie eventuelle Schwankungen bei der Einwohnerzahl berücksichtigt. Aktuell, bei der strikten Festlegung von 20.000, geschieht dies nicht. Sinkt z.B. die Einwohnerzahl, dann steigt die Hürde prozentual an (20.000 Unterschriften bei 2.000.000 Stimmberechtigten =1 %, 20.000 bei 1.800.000 = 1,11 %).
- Der Einwohnerantrag ist die Volksinitiative auf Gemeindeebene. Bisher müssen diesen 5 % der Antragsberechtigten (Einwohner, die das 16. Lebensjahr vollendet haben) bestätigen. Wir möchten die Hürde auf 1 % (Vorbild: Bayern, Thüringen) senken.
- Bisher verfallen alle bei der Volksinitiative gesammelten Stimmen. Jeder muss seine Stimme also erneut für ein Volksbegehren (Phase 2) abgeben. Wir fordern ein Verfahren, welches die gesammelten Unterschriften bei der Phase 2 berücksichtigt.
- Aktuell müssen mind. 25 % der Brandenburger Wahlberechtigten (ca. 500.000) einem Volksentscheid zustimmen, damit dieser als angenommen gilt.
- Wir möchten, dass diese festgelegte Stimmenanzahl zukünftig wegfällt und damit die einfache Mehrheit der abgegebenen, gültigen Stimmen für die Annahme eines Volksentscheides ausreicht. Fällt die Wahlbeteiligung geringer aus, dann sinkt entsprechend auch die notwendige Stimmenanzahl.
- Derzeit dürfen Volksinitiativen zu den Themen „Landeshaushalt, Dienst- und Versorgungsbezüge, Abgaben sowie Personalentscheidungen“ per Gesetz nicht durchgeführt werden.
Wir fordern, dass über alle Themen per Volkswillen entschieden werden kann. Wir sind der Meinung, dass wir über alle Themen mitreden sollten, auch darüber, wie z.B. unsere Steuergelder verwendet bzw. auch erhoben werden und somit unsere Gemeinschaft finanziert werden kann. - Beim Bürger- und Volksbegehren dürfen die Stimmen derzeit nur per Amtseintragung und Brief abgegeben werden. Wir möchten, dass auch eine freie Sammlung von Unterschriften, wie bei der Volksinitiative, möglich ist.
- Spätestens zum Volksentscheid benötigen wir vor der Wahl eine breite, öffentliche Debatte. Diese soll die Wahlberechtigten befähigen, sich ein Urteil zu bilden, um am Wahltag für oder gegen die Initiative stimmen zu können. Die verpflichtende Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Medien ist es dabei, den Debattenraum zu füllen und alle Stimmen zu dieser Volksinitiative zu präsentieren. Begleitend dazu soll ein Abstimmungsheft, welches jedem Wahlberechtigten zur Verfügung gestellt wird (postalisch oder online) über das Anliegen sowie alle Argumente (Pro/Contra) informieren.
- Ein Referendum ist eine Abstimmung der wahlberechtigten Bürger über eine erarbeitete Vorlage/ein Gesetz der Regierungsgewalt, in diesem Fall des Landtages. Wir möchten mit Hilfe des Referendumsvorbehalts die Möglichkeit schaffen, dass das Volk innerhalb von 100 Tagen direkt zu einem erlassenen Gesetz per Volksentscheid Stellung nehmen kann. Damit schaffen wir eine zusätzliche Kontrollinstanz und stärken die Akzeptanz von Gesetzen bei den Bürgern.
- Bisher bleiben die Initiatoren von Volksinitiativen komplett auf ihren Kosten sitzen. Der Druck von Tausenden von Unterschriftenbögen, Flyern, Plakaten und einer Website kosten Geld. Hier fordern wir eine staatliche Förderung und damit eine Senkung der finanziellen Hürde. Als Beispiel könnte Sachsen-Anhalt dienen, wo 0,26 € je gültiger Eintragung für das Volksbegehren/den Volksentscheid erstattet werden (siehe § 31 VAbstG).