Ist Intoleranz heimisch geworden?

Protest gegen Film „Nürnberg“ in Koblenz

von Nathalie Sanchez Friedrich

Vor etwas über einem Jahr führte dieBasis in Niederkassel bei Bonn den russischen Spielfilm „Nürnberg“ zum ersten Mal vor. Die Vorführung wurde von einer Ausstellung begleitet und auch die anschließende Podiumsdiskussion gab Gelegenheit, über die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Nürnberger Prozesse ins Gespräch zu kommen, aber auch die völkerrechtswidrigen Geschehnisse der jüngeren Vergangenheit zu diskutieren. Einige regionale Verbände entschieden sich zur Fortsetzung des Projekts. So gastierte „Nürnberg“ in diesem Jahr in Bielefeld, Magdeburg, Schortens, Bremen und zuletzt am 16. November 2024 in Koblenz.

Zustande gekommen war dieses Projekt zufällig, nachdem dieBasis (stellvertretend in NRW), die für Dialog und Perspektivenvielfalt steht, im Juli 2022 begonnen hatte mit allen Seiten des Russland-Ukraine-Konfliktes persönlich in Kontakt zu treten. Dafür wurden die Konsulate angeschrieben mit der Bitte um ein Gespräch. Ziel dieser Aktion war insbesondere, sich ein eigenes und realistisches Bild von der Situation und den Interessen der Beteiligten zu machen und mit den vorhandenen Strukturen, als seinerzeit siebtgrößte Partei Deutschlands, einen öffentlichen Dialog zu fördern. 

Friedenspartei dieBasis fördert den öffentlichen Dialog

Neben den Konsulaten der Russischen Föderation und der Ukraine versuchte dieBasis auch mit dem amerikanischen Generalkonsulat in Düsseldorf ins Gespräch zu kommen. Letztlich sollte es dann bei einer einzigen Einladung bleiben: der des russischen Generalkonsuls in Bonn. (Pressemitteilung) Trotz mehrfacher Erinnerung: Bis heute gab es von den anderen beiden Konsulaten auf unsere Briefe keine Reaktion.

Im Mai 2023 habe ich bei einem Besuch im Generalkonsulat von dem russischen Spielfilm „Nürnberg“ erfahren. Mit Unterstützung durch das Generalkonsulat, das uns die Vorführgenehmigungen und das erforderliche Material für die Ausstellung besorgte, konnte das Projekt „Nürnberg“ realisiert werden, mit dem sich dieBasis für Frieden, Völkerverständigung und Kulturaustausch einsetzen will.

Massiver Widerstand gegen die Filmvorführung

Im Vorfeld der letzten Veranstaltung in Koblenz, die ein Gemeinschaftsprojekt von „Koblenz: Im Dialog“, dieBasis Landesverband Rheinland-Pfalz sowie dem Deutschen Freidenker Verband RLP/ Saarland war, regte sich erstmals massiver Widerstand. Dieser zeigte sich nicht nur in Medienberichten der Rhein-Zeitung1 und FAZ2 , sondern auch mit Interventionen des ukrainischen Generalkonsuls in Frankfurt beim Gastronomen vor Ort, beim Oberbürgermeister der Stadt Koblenz David Langer sowie beim Innenminister Michael Ebling, um zu erreichen, dass die Veranstaltung abgesagt wird.

Anschreiben des ukrainischen Konsuls in Frankfurt an den Gastronomen in Koblenz - Seite 1
Anschreiben des ukrainischen Konsuls in Frankfurt an den Gastronomen in Koblenz - Seite 2

Als Hauptkritikpunkt in den Zeitungsberichten von Rhein-Zeitung und FAZ wurde das „Sponsoring vom Kreml“ genannt. Der „Propagandafilm Nürnberg“ sei „von Moskau finanziert“ (lt. Artikel mit 2,3 Mio €). „Er verfälscht die Geschichte und dient dazu, den Überfall auf die Ukraine zu rechtfertigen“, schreibt die freie Autorin Yesilaveta Landenberger in der FAZ, die auch für die Stiftung der Partei Die Grünen, Zentrum Liberale Moderne, tätig ist.

Dabei wurde natürlich völlig ignoriert, dass auch hier in Deutschland Filmprojekte, die etwas werden sollen, staatlich gefördert werden und sich Russland diese „Praxis“ von Deutschland abgeschaut hat, wie im Rahmen der Diskussion der Podiumsgast und Dokumentarfilmer Wilhelm Domke-Schulz3 zu berichten wusste und die russische Filmförderung korrekt einordnen konnte.

Die Bundesregierung fördert den deutschen Film und die deutsche Filmwirtschaft. Rund 44 Millionen Euro fließen jedes Jahr allein in Förderprogramme und Auszeichnungen. 4

Letztlich blieben nicht nur die Bemühungen der Medien, sondern auch die des ukrainischen Generalkonsuls erfolglos. Wie die WWZ in ihrem Artikel „Russischer Film wird zum Zankapfel“ am Tag der Veranstaltung richtig feststellte:

„Artikel 5 des Grundgesetzes schützt die Kunst. Auch solche, die schwer auszuhalten ist.“

„Nürnberg“ in Koblenz – ein voller Erfolg

Etwa 200 Interessierte waren schließlich der Einladung der freien Journalistin Sabiene Jahn gefolgt, die die Moderation der Veranstaltung übernahm. Tatsächlich motivierte die Berichterstattung in den Medien auch spontan Gäste zum Besuch. Bei Kerzenschein und Live-Musik fand im kleinen Saal des Coenen Palais ein wertschätzender Austausch zur begleitenden Ausstellung statt, die dokumentarisches Material zum Film und dessen Hintergrund sowie zur damaligen geopolitischen Situation in der Zeit der Nürnberger Prozesse zeigt.

Das Publikum diskutierte im Nachgang u.a. über die Fragwürdigkeit deutscher Lehrpläne, die sich mit den Naziverbrechen in den Konzentrationslagern teilweise bis zum 10. Schuljahr nicht beschäftigen, wie zwei Schülerinnen einer 7. und 10. Klasse zu berichten wussten. Die Original-Bilder aus Konzentrationslagern im Film sahen sie zum ersten Mal, was sie sichtbar schockierte. Ich frage mich: ist das nicht Geschichtsklitterung?

Eine der beiden Schülerinnen erzählte auch vom Mobbing durch einige ihrer Klassenkameraden, da sie in der Klasse davon gesprochen hatte, gern in Moskau studieren zu wollen.

Das Drumherum

Das Coenen Palais zur Vorführung des russischen Spielfilms “Nürnberg” war ein denkwürdiger Veranstaltungsort, um die tragischen Ereignisse neuerer deutscher Geschichte zu schildern, an deren Ende die Nürnberger Prozesse standen – der Grundstein für internationales Völkerrecht und ein erstes gemeinsames Vorgehen aller Alliierten, um u.a. Verbrecher für Völkermord zu verurteilen.

Ich zitiere an dieser Stelle einen Beitrag auf www.ehrenbreitstein.de:

“Es begann eine Reihe von Beschlagnahmungen (des Palais, Anm.d. Red.). Zunächst durch die amerikanische Besatzungsmacht, wobei ein Teil der Räume von der Heilsarmee genutzt wurde. Dann beschlagnahmte die französische Besatzungsmacht das Haus von 1923 bis 1929, hier war das Kriegsgericht untergebracht. Nach dem Abzug der Franzosen Ende 1929 stand das Haus einige Jahre leer, bis es von 1933 bis 1936 Sitz der Parteiorganisation der NSDAP war und das “braune Haus” genannt wurde. 1936, nach der Remilitarisierung des Rheinlandes, übernahm die Wehrmacht das Coenenhaus und richtete hier das Divisionsgericht der 34. Infanteriedivision ein, das dort bis zum Kriegsende blieb. Das Gebäude, nach amerikanischem Beschuss im März 1945 teilweise beschädigt, wurde nun erneut von den Amerikanern beschlagnahmt…“

Das Coenen Palais dient aktuell einer Reihe von unterschiedlichen Unternehmen als Büro. Das Schild der Rotarier ist ebenfalls angebracht. Jedoch berichten Mitarbeiter des Koblenzer Gastronomen, dass dort lediglich private Veranstaltungen stattfinden. Allerdings sollen die Bundeswehr bzw. das (ehemalige ) Bundesamt für Beschaffung und ihre Partner, u.a. die NATO, dieses Gebäude als regelmäßigen Tagungsort wählen. Das Organisationsteam der Filmvorführung hat sich gefragt, ob es da einen Zusammenhang mit dem Widerstand gegen die Filmvorführung in Koblenz gegeben hat und deshalb die lokalen Medien den Aufruf zu einer Kundgebung von Ukrainern und Belarussen in unmittelbarer Nähe des Coenen Palais teilten.  

Gegendemonstration auf dem Kapuzinerplatz:

Auf dem Telegram-Kanal „Neues aus Russland“ veröffentlichte Alina Lipp am Tag nach der Veranstaltung die Pressemitteilung der Veranstalterin und Moderatorin Sabiene Jahn :

„Die Gegendemonstration der etwa 25 Teilnehmer vom ukrainischen Verein in Altendiez und einer belarussischen Plattform mit Sitz in Berlin waren Ausdruck von ideologischen Konflikten, die durch mangelndes Geschichtsverständnis und politische Einflussnahme erklärt werden können. Endet der Krieg, dann enden auch die staatliche Finanzierung dieser NGOs und möglicherweise auch der Status einiger Flüchtlinge, die in ihrer Heimatstadt Kiew vom Kriegs-Geschehen gar nicht betroffen sind, aber in Deutschland gern die großzügige Unterstützung (aus-)nutzen. Zu den Teilnehmern zählten u.a. Befürworter der rechtsextremen Kampfverbände Asow, die seit Monaten ukrainische Nazi-Departments mit dem Namen „Centuria“ in Deutschland aufbauen wollen.“

Fazit

Die Filmvorführung „Nürnberg“ im Coenen Palais, so der Tenor der Diskussion, würde den tatsächlichen Opfern aus der betroffenen Kriegsregion, Flüchtlingen aus dem Donbass sowie zwangsrekrutierten Soldaten in der Ukraine eine kraftvolle Stimme geben, die sich um sofortige Befriedung des geopolitischen Konfliktes und ein Ende des Krieges bemüht. Diese Sichtweisen finden leider ausschließlich über die alternativen Medien ihren Weg, leider jedoch nicht in den öffentlich-rechtlichen Medien. Eine Aufzeichnung der Diskussion und weitere Bilder der Veranstaltung finden sich bei YouTube (Podcast).

Foto von der Moderatorin Sabiene Jahn und dem Podiumsgast und Dokumentarfilmer Wilhelm Domke-Schulz
Warum ist die Dokumentation der Ereignisse in Koblenz genau jetzt so wichtig?

Die Ereignisse rund um das Projekt „Nürnberg“ der Partei dieBasis sind kein Einzelfall von Intoleranz und Zensurbestrebungen. Aktuell steht Frau Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz anlässlich einer morgigen Filmvorführung zu ihrem 75. Geburtstag vor ähnlichen Herausforderungen.

Am kommenden Montag, am 16. Dezember, 19:00 Uhr soll im Filmtheater Sendlinger Tor in München der Dokumentarfilm über die frühere Moskau-Korrespondentin gezeigt werden. Gabriele Krone-Schmalz und der Kinobetreiber sind jetzt zum Opfer intoleranter, aggressiver Zeitgenossen geworden. In Mails an den Kinobetreiber – eine Auswahl wird unten dokumentiert – wird sie als „Marionette Putins in Deutschland“ und als „Helfershelfer von Terror, Krieg, Massenmord und Vergewaltigung“ bezeichnet. Der Kinobesitzer wird aufgefordert, die Premiere abzusagen.“ (Quelle NZZ5)

Die Frage zum Schluss bleibt: Wurde der Faschismus tatsächlich besiegt und was haben wir wirklich aus dem 2. Weltkrieg gelernt?

Die mediale Umdeutung von Worten und die mediale Beanspruchung der Deutungshoheit über bestimmte Ereignisse im Sinne von ideologischen oder regierungsnahen Interessen sowie die damit verbundene Verengung der Debattenräume muss beendet werden.

Wir freuen uns auf die Fortsetzung des Projekts im neuen Jahr: zunächst im Landesverband Hamburg und am 08. März im Stadtverband Dresden.


Quellen und Links:

  1. https://diebasis-partei.de/wp-content/uploads/2024/12/Artikel-Rhein-Zeitung-Nuernberg-in-Koblenz_04112024-komprimiert.pdf ↩︎
  2. https://diebasis-partei.de/wp-content/uploads/2024/12/20241115_FAZ_Die-formen-sich-ihre-Nazis-selbst.jpg ↩︎
  3. Produktionen | domke-schulz-film – Film- und Fernsehproduktion ↩︎
  4. BAFA – Filmförderung ↩︎
  5. Gabriele Krone-Schmalz wird zum Opfer von „Zensurkultur“ ↩︎
 

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