Gastbeitrag Wolfgang Huhnstock, dieBasis AG Frieden
1. Wahlbeteiligung
Es war die höchste Beteiligung seit dem Anschluss der neuen Bundesländer ab 1990. Sie lag bei 82,5 % (ca. 50 Mio. Wähler) im Vergleich zur BTW 2021 mit 76,4 % (47 Mio. Wähler). Dies ist eine Steigerung von 6,1 %. 2021 war die Wahl noch durch die sogenannte Corona-Pandemie mit einem hohen Anteil an Briefwahlstimmen beeinflusst. Bei der EU-Wahl 2024 lag die Wahlbeteiligung bei 64,8 %. Tendenziell liegt die Beteiligung bei EU-Wahlen aber schon immer wesentlich niedriger im Vergleich zu Bundestagswahlen und hat seit Gründung der EU kontinuierlich abgenommen. Die hohe Wahlbeteiligung brachte vor allem der AfD einen großen Zuwachs an Proteststimmen aus dem Bereich der Nichtwähler. Die etablierten Parteien, mit Ausnahme der CDU, konnten dies durch die Reaktivierung von Nichtwählern, mit einer erzeugten Hysterie der ‚Gefahr von Rechts‘ und der dadurch erzeugten Polarisierung des Wahlkampfes teilweise kompensieren. Insbesondere die Linke profitierte davon.
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2. Allgemeine Einschätzung
Die hohe Wahlbeteiligung mit einem großen Anteil von Protestwählern hat vorrangig folgende Ursachen:
- stark gestiegene Lebenshaltungskosten, insbesondere bei Energie und Grundnahrungsmitteln
- eine große Unsicherheit über die Zukunft, insbesondere beim Erhalt des Arbeitsplatzes und der globalen Entwicklung
- eine starke Polarisierung durch die eingeschränkte innere Sicherheit im Zusammenhang mit Migration
Noch kurz vor der Wahl wurde das Thema Migration durch die von den Regierungsparteien finanziell unterstützten „Demos gegen Rechts“ zur Bekämpfung der Oppositionspartei AfD so stark forciert, dass es alle anderen wichtigen Themen in den Hintergrund drängte. Es wurde versucht, das Versagen der Regierungsparteien in der Phase der wirtschaftlichen Rezession und zur Beendigung von Kriegen durch Diplomatie statt Unterstützung einer Kriegspartei komplett auszublenden. Es ist zu vermuten, dass auf der einen Seite Sozialstandards weiter abgebaut sowie Ausgaben für Bildung, Soziales, Renten, Gesundheitssystem und Infrastruktur reduziert werden sollen, um auf der anderen Seite mit der Aufnahme neuer Schulden (Abschaffung der Schuldenbremse) und der Haushaltsumschichtung die steigenden Rüstungsausgaben und die Ukraine zu finanzieren.
Parallel werden die Steuereinnahmen durch Konkurse, die Verlagerung von Produktion ins Ausland wegen hoher Energiekosten und Strafzöllen der USA sowie eine zunehmende Arbeitslosigkeit und Verarmung der Bevölkerung weiter sinken. Wegen der zu erwartenden negativen Entwicklung und des Drucks, die Agenda um jeden Preis mit einer Parteienkoalition fortzusetzen, wurde die Wahl auf den frühestmöglichen Zeitpunkt gesetzt. Damit konnte man auch gleichzeitig Teile der Opposition an der Wahlteilnahme und am Wahlkampf hindern.
Mit der Beschränkung auf das Migrationsthema und der „Verteufelung“ der AfD als „Schreckgespenst des Faschismus“ gelang eine starke Polarisierung. Nutznießer waren die Parteien, die am weitesten links und rechts stehen, wenn man die Parteien nach dieser Skala überhaupt noch einordnen kann. So hat überraschenderweise die Linkspartei einen Zuwachs von 3,9 % im Vergleich zu 2021 erreicht.
Das BSW ist nur äußerst knapp mit 4,97 % der Stimmen an der 5%-Hürde gescheitert. Der Stimmenverlust im Vergleich zur EU-Wahl ist größtenteils durch die Aufgabe der Friedensziele beim Eintreten in die Koalition mit der CDU in Thüringen und durch die Zustimmung zum Gesetzesvorschlag der CDU im Bundestag zustande gekommen. In ihren Reihen hat das BSW noch bekannte Friedensaktivisten, ist aber in ihrem Agieren kein verlässlicher Partner, wenn es konkret um den Einsatz für den Frieden geht. Es wurde sicher auch medial und mithilfe von NGOs darauf Einfluss genommen, wegen der Haltung zu Russland und zu Palästina den Einzug des BSW in den Bundestag zu verhindern.
Die FDP hat sich durch das Mittragen der Koalitionspolitik überflüssig gemacht. Der Austritt aus der Koalition war nur der gewollte Anlass für die Vertrauensfrage und für einen Sündenbock des Ampelversagens.
Die AfD konnte ihren Stimmenanteil gegenüber der letzten Bundestagswahl mit 20,8 % verdoppeln. Sie hat vorrangig von der vorherrschenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der Arbeit der Regierungsparteien und der Pseudo-Opposition bei der Lösung der gravierenden innenpolitischen Probleme und der absichtlichen Realitätsverweigerung profitiert. Die Wahlkampfunterstützung aus den USA hatte dabei einen geringen Anteil. Eher war es eine Protestreaktion auf die fortwährende Ausgrenzung dieser Oppositionspartei mithilfe der Brandmauer und der aggressiven Angriffe auf eine demokratische Partei. Die populistischen und konsequenten politischen Aussagen insbesondere zum Problem der Migration hatten wahrscheinlich auch einen großen Anteil an diesem Zuwachs.
3. Wahlbeteiligung dieBasis
Der Vergleich zur Bundestagswahl 2021 kann nicht hergestellt werden, da die Gegebenheiten völlig andere waren. dieBasis hatte sich ein Jahr zuvor im Zuge der Grundrechte-Protestbewegung gegen die Corona-Maßnahmen gegründet. Sie konnte schnell eine flächendeckende Struktur aufbauen und hatte bekannte Persönlichkeiten der Bewegung in ihren Reihen vereint. Die Mitglieder waren motiviert beim Sammeln der Unterstützerunterschriften und im Wahlkampf. Dies konnte man auch an der flächendeckenden Kandidatur von Direktkandidaten sehen. Die Grundrechte-Einschränkung und die Abwehr der Impfpflicht waren der Hauptschwerpunkt im Wahlkampf 2021, wodurch ein Stimmenanteil von 1,4 % erzielt werden konnte.
Vergleicht man das Ergebnis in den vier teilnehmenden Bundesländern 2025 mit der EU-Wahl 2024, so ist festzustellen, dass es ein stabiles Wählerpotential von jeweils 0,4 % in Bayern und Baden-Württemberg sowie 0,2 % in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gibt. Die Anzahl der Wählerstimmen in den teilnehmenden Bundesländern konnte um 22.000 von 63.000 auf 85.000 Stimmen gesteigert werden. Aufgrund der hohen Wahlbeteiligung und Polarisierung hätte dieBasis wahrscheinlich trotzdem selbst bei der Teilnahme aller 16 Bundesländer nicht das Ziel von mindestens 0,5 % erreicht.
4. Aussichten
Es ist naheliegend, dass in allen drei künftig an der Regierung beteiligten Parteien die Kriegstreiber an die Parteispitzen kommen. Merz wird Bundeskanzler. Kiesewetter von der CSU wird mehr Macht erhalten. Scholz wird Pistorius Platz machen. Die künftige Politik wird dann durch folgende Tendenzen geprägt sein:
- weitere Aufrüstung (Anteil der Rüstungsausgaben am BIP werden steigen)
- verstärkte Unterstützung der Ukraine
- weiterer Abbau von Grundrechten wie der Meinungsfreiheit (gleichzeitige Förderung von NGOs, die die Agenda unterstützen)
- weitere Verteuerung von Energie, Lebensmitteln und der Lebenshaltungskosten insgesamt
- Arbeitsplatzabbau
- massiver Sozialabbau
- weitere Kommerzialisierung der gesundheitlichen Betreuung und Serviceabbau
- Einsparungen im Bildungssystem
- Verschlechterung der Infrastruktur mit Ausnahme der Osttangenten zum Transport von Kriegsgerät
5. Schlussfolgerungen
- Unterstützung eines gemeinsamen Bündnisses aus Friedensparteien, der traditionellen Friedensbewegung, der Protestbewegung der Landwirte und Unternehmer, der Grundrechtebewegung, von einzelnen friedensbewegten Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft, Recht, Gesundheit und Bildung und von national-patriotischen Bewegungen zur Überwindung der Spaltung der humanistischen Demokratie- und Friedensbewegung
- Konzentration der Basis auf Kernkompetenzen wie Frieden und Gesundheit, mit dem Schwerpunkt der Corona-Aufarbeitung, Basisdemokratie und Energiepolitik in Verbindung mit der sozialen Komponente, mit der Entwicklung der Wirtschaft und den Auswirkungen für den Mittelstand. Den Themenkomplex Migration sollte man der AfD überlassen und sich im Rahmen der Friedenspolitik auf die Vermeidung von Flüchtlingsströmen konzentrieren.
- Bei der politischen Willensbildung durch Teilnahme an Wahlen laut Parteiengesetz sollte man sich auf die kommunalen Wahlen konzentrieren, bei denen die Möglichkeiten der Einflussnahme auf demokratische Prozesse noch am größten sind.
Ist die Wahl wegen des Verstoßes gegen das Wahlgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht anfechtbar?
Der demokratische Aspekt dazu: Gerade weil dem BSW nur 13.000 Stimmen am Einzug in den Bundestag fehlten und dadurch insgesamt fast 2,5 Mio. Stimmen unberücksichtigt blieben, wird deutlich, wie undemokratisch die 5-Prozent-Hürde tatsächlich ist. Es macht bei den folgenden Koalitionsverhandlungen und der Oppositionsrolle der nicht beteiligten Parteien einen großen Unterschied, ob sechs oder sieben Parteien im Bundestag vertreten sind.
Ein System ist umso demokratischer, je mehr Interessengruppen an der Entscheidungsfindung beteiligt sind, nicht umgekehrt. Das Problem war prinzipiell die kurze Frist von 60 Tagen von Bekanntmachung bis zum Wahltermin. Dies schließt Parteien und Wähler von der Wahl aus. Es wird gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Parteien und gegen das Recht zur Teilnahme an der Wahl verstoßen.
Die Zeit zur Aufstellung der Kandidaten und zum Sammeln der Unterstützerunterschriften war für kleine Parteien viel zu kurz und deshalb eine gravierende Benachteiligung. Je mehr Parteien an einer Wahl teilnehmen, desto mehr verteilen sich die Stimmen. Dies kann dann am Ende auch Auswirkungen auf die Mandatsvergabe haben.
Von den 213.000 Auslandsdeutschen konnte nur ein geringer Teil wählen, weil die Wahlunterlagen nicht rechtzeitig verschickt werden konnten bzw. nicht rechtzeitig wieder zurückgekommen sind. Die Möglichkeit der Stimmabgabe in der deutschen Botschaft bzw. in deutschen Konsulaten ist nicht vorgesehen.
Eine Anfechtung wird wahrscheinlich nicht zum Erfolg führen, aber es ist nicht aussichtslos. Das Ergebnis beim Verfassungsgericht kann auch sein, dass es eine Nachbesserung des Wahlgesetzes zur nächsten Wahl geben muss.
Gut für die Demokratisierung der Gesellschaft wäre eine Reduzierung der 5-Prozent-Hürde. Aber auch eine wesentliche Verlängerung der terminlichen Abfolge per Wahlgesetz wäre ein Erfolg für die Zukunft.
Die Beschwerde gegen die Bundestagswahl 2025 muss bis spätestens zwei Monate nach Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses eingereicht werden.
Zuerst werden die Beschwerden vom neu gewählten Bundestag bearbeitet, bevor eine Klage beim Verfassungsgericht eingereicht werden kann. Eine Wahl muss nur dann wiederholt werden, wenn die Fehler mandatsentscheidend für die Zusammensetzung des Bundestags sind.